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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Virus zum ersten Mal aufgetaucht war, daneben und legte noch ein paar Petrischalen, ein Paket Einwegspritzen, Kanülen und ein Päckchen Objektträger dazu, die ich in einer der Vitrinen gefunden hatte. Wer wusste schon, was sie auf dem Festland überhaupt noch an medizinischen Hilfsmitteln hatten?
    Ich legte alles vor den Kühlschrank, um es dort schnell abzuholen, sobald das Wetter genug aufklarte und wir gefahrlos die Fähre über die Meerenge nehmen konnten. Leo glaubte, er könnte sie zum Laufen kriegen, weil er schon mal zugesehen hatte, wie Mark sie startete. Bis dahin war der Impfstoff hier im Forschungszentrum mit seinem speziell temperierten Kühlschrank und seinem modernen Generator besser aufgehoben. Die bruchsicheren Fenster und die schwere Eingangstür hatten der Gang immerhin schon einmal standgehalten.
    Die Kopien, die ich von Dads gesammelten Notizen über die Impfstoffherstellung gemacht hatte, platzierte ich mitten auf der Theke, wo sie jedem gleich ins Auge fallen würden. Die Schlüssel würde ich bei unserer Abreise Tessa geben. Falls wir scheiterten, sollte Dads Arbeit nicht komplett verloren sein.
    Es gab so viel, was er mir nicht erzählt hatte. Er hätte auf das Schlimmste vorbereitet sein müssen, auf den Fall, dass er vielleicht irgendwann nicht mehr hier sein würde.
    Wahrscheinlich hätte er mir nicht zugetraut, die Sache in die Hand zu nehmen. Wir sollten warten, hätte er gesagt, genau wie Nell. Kann sein, dass er recht gehabt hätte. Möglicherweise waren die Straßen in einem so schlimmen Zustand, dass Gav und ich nicht weiterkämen. Vielleicht würde uns mitten im Nirgendwo der Sprit ausgehen. Wir könnten überfallen werden, wie Leo gesagt hatte, weil alle sahen, dass da ein paar Teenager unterwegs waren, die genau die Vorräte besaßen, die sie selbst brauchten.
    Aber das Gefühl, das in mir immer stärker wurde, seit Nell mir den Rücken zugekehrt hatte, war viel mächtiger als all diese Zweifel. Nämlich dass ich mir, wenn ich jetzt nichts unternehmen und wir den Impfstoff verlieren würden, den Rest meines Lebens Vorwürfe machen würde.

Vier
    Zuletzt packte ich noch zwei Säcke Streusalz in den Geländewagen. Meredith hatte mich darauf gebracht, in der Garage danach zu suchen, als sie sich am Morgen über die glatte Vordertreppe beklagte.
    Jeder der beiden Säcke wog zwanzig Kilo. Und trotz der Kälte begann ich in meiner dicken Jacke zu schwitzen, als ich sie schließlich auf den freien Platz am Garagentor geschafft hatte. Aber es war auf jeden Fall die Anstrengung wert, denn ich hatte auch noch eine Flasche Frostschutzmittel für die Scheibenwischanlage gefunden. Ich machte gerade eine Pause, um die Arme etwas auszustrecken, als Leo hereinkam.
    »Hey«, begrüßte er mich. »Meredith sagte, du wärst hier. Du suchst nach Salz?«
    »Yep«, antwortete ich und gab einem der Säcke einen Stups mit dem Fuß.
    »Ach, so«, sagte er. »Streusalz.«
    Die anschließende Stille war irgendwie seltsam. Ich sah ihn an, und er sah mich an, mit einem so ernsten Gesichtsausdruck, dass mir fast das Herz stehenblieb. Bevor ich noch darüber nachdenken konnte, warum es das tat, senkte er schon den Blick.
    »Soll ich dir helfen, die hier zum Wagen zu bringen? Die sind doch für die Reise, nehme ich an?
    »Danke«, sagte ich. »Wenn du dir einen davon schnappst, dann haben wir’s gleich.
    Ich hievte den ersten der beiden Säcke auf die Schulter und stapfte die verschneite Einfahrt hinunter. Um uns herum wirbelten die Schneeflocken.
    »Alles fertig für die Abfahrt?«, erkundigte sich Leo, während wir das Streusalz auf die Ladefläche des Geländewagens schoben.
    »Alles paletti«, antwortete ich. Als ich zurücklief, um noch das Frostschutzmittel zu holen, kam er hinter mir her.
    Wir duckten uns unter dem Garagentor hindurch.
    »Kaelyn«, begann er, und als ich mich zu ihm umdrehte, machte er ein paarmal den Mund auf und zu, als hätte er vergessen, was er sagen wollte. Dann lächelte er irgendwie schief.
    »Du hast keine Vorstellung, wie sehr ich dich vermisst hab, als ihr damals wieder nach Toronto gezogen seid.«
    »Ach komm«, sagte ich. »Ich wette, nicht halb so sehr wie ich dich. Du hattest immerhin noch ungefähr eine Million andere Freunde hier.«
    »Ja«, sagte er. »Aber das war nicht dasselbe. Du warst die Einzige, von der ich genau wusste, dass sie mich wirklich um sich haben wollte.«
    »Wovon redest du da? Dich haben doch alle gemocht.«
    »Klar, sie mochten mich«, antwortete

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