Und wenn wir fliehen (German Edition)
senkte betreten den Kopf. »In Ordnung. Tut mir leid.«
»Ist schon gut«, beruhigte ich sie. »Denk einfach nächstes Mal daran.« Hoffentlich würde es kein nächstes Mal geben.
Als wir wieder zur Tankstelle kamen, gab es keinerlei Anzeichen, dass sich irgendjemand in der Nähe aufhielt. Wenn sie da gewesen waren, dann hatten sich ihre Fußabdrücke mit denen vermischt, die wir selbst bei unserer Ankunft hinterlassen hatten. Die Scheiben des Trucks waren unversehrt und die Türen fest verschlossen. Als Tobias sie aufmachte, ließ meine Anspannung langsam nach. Während wir Eimer und Kanister in den Laderaum warfen, setzte er sich auf den Fahrersitz.
Plötzlich zerriss ein schrilles Quietschen die Luft, so durchdringend, dass meine Hände automatisch an die Ohren zuckten. Genauso plötzlich hörte es wieder auf. Tobias drehte den Schlüssel noch einmal im Zündschloss, doch der Motor blieb stumm.
»Was zum Teufel …?«, murmelte er und stieß die Tür auf. Er stiefelte zur Motorhaube und öffnete sie gerade mit einem Ruck, als ich bei ihm ankam. Einen Augenblick lang starrten wir beide bewegungslos nach unten.
Sämtliche Verschlusskappen waren verschwunden, alle Schläuche herausgerissen, jedes einzelne Kabel durchtrennt.
Gav kam angerannt und blieb atemlos stehen.
»Können wir das wieder reparieren?«, fragte ich, obwohl ich schon ziemlich genau wusste, wie die Antwort lauten würde.
Tobias’ Schultern sackten nach unten.
»Nicht ohne Zauberstab«, antwortete er. »Der Truck ist im Arsch.«
Acht
Wir hatten uns nur darum gesorgt, dass unser Proviant sicher war – der Gedanke, dass irgendjemand den Laster selbst unbrauchbar machen könnte, war uns gar nicht gekommen.
»Diese Typen in der Stadt«, sagte Gav. »Meint ihr, die haben das gemacht, um uns eins auszuwischen?«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Oder um sich das zu nehmen, was uns gehört. Sie konnten uns nicht alle auf einmal überwältigen. Und in den Truck reingekommen sind sie auch nicht. Also haben sie dafür gesorgt, dass wir nicht weg können, und jetzt überlegen sie, was sie als Nächstes tun.« Als wären sie die Jäger und wir die Beute. Sie hatten uns verwundet, und nun warteten sie auf die beste Gelegenheit, den tödlichen Schlag auszuführen.
Tobias begann auf- und abzugehen. »Wir hätten ihn nicht alleine lassen sollen«, sagte er. »Verdammt, was mach ich jetzt bloß?«
»Du meinst wohl, was machen wir jetzt bloß«, sagte Tessa leise.
»Wir laufen«, sagte Leo. Er machte eine Handbewegung Richtung Truck. »Da drin ist ein Zelt, wir haben den Benzinkocher, wir haben Essen und warme Kleidung. Wir schaffen das. Aber ich bin auf jeden Fall dafür, hier zu verschwinden, bevor wer auch immer hinter uns her ist mit Verstärkung zurückkommt.«
»Sollen wir etwa den ganzen Weg bis nach Ottawa zu Fuß gehen?«, fragte Meredith und verzog den Mund, als hätte sie gerade auf eine Zitrone gebissen.
Immerhin hatten wir schon fast den halben Weg geschafft. Ich schluckte. »Zurück zur Insel ist es praktisch genauso weit. Und wenn wir jetzt umkehren, wird der Impfstoff niemandem etwas nützen. Lasst uns lieber schnell sehen, wie viel wir tragen können, und dann hier abhauen.«
»Wir organisieren uns eben unterwegs ein anderes Auto«, sagte Gav, ohne mit der Wimper zu zucken. »Wir müssen nur so lange laufen, bis wir eins gefunden haben.«
Ich wünschte, ich hätte noch so zuversichtlich sein können, nachdem unsere Pläne gerade komplett zunichtegemacht worden waren. Sein Optimismus gab mir Kraft. »Wenn wir Rucksäcke hätten, könnten wir mehr mitnehmen«, sagte ich.
Tessa zeigte auf den Supermarkt gegenüber. »Ich glaube ich hab da Schlitten im Schaufenster gesehen. Da passt sicher eine Menge drauf.«
»Falls wir noch Zeit haben, sie zu holen.« Leo ließ den Blick über die Gebäude um uns herumwandern und lief dann hinüber zum Tankstellenshop. Mit einer geschmeidigen Bewegung manövrierte er sich auf den Müllcontainer an der Seitenwand, sprang in die Höhe, um die Dachkante zu greifen, stützte sich mit den Ellbogen ab und schwang ein Knie hinauf. Kurz danach war er nach oben geklettert und stand aufrecht da.
Tobias starrte zu ihm hoch. »Auch einer von diesen Kletterfreaks?«
»Tänzer«, erwiderte Leo. Dann wandte er sich um und richtete den Blick auf die Stadt und den dahinterliegenden Highway. »Im Moment ist niemand zu sehen. Schnappt euch die Schlitten. Ich rufe, wenn’s ein Problem gibt.«
»Hey,
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