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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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wollte kein Weichei sein, aber so wie diese Leute, die Jagd auf uns machten, wollte ich auch nicht werden.
    »Wir sollten das Funkgerät lieber hierlassen«, sagte Tobias, als er mit zwei der anderen Schlitten zu mir herüberkam. »Ich glaube mittlerweile, dass sie die Dinger irgendwie orten können.«
    Ich merkte, dass ich das Gerät immer noch umklammert hielt. Ich stieg aus dem Lieferwagen und schleuderte es über den Zaun. Es versank im Schnee. Tobias beobachtete, wie es fiel, mit leerem Blick und zusammengepressten Lippen unter dem Schatten seiner Kapuze.
    »Ist es das erste Mal, dass du …«, fing ich an und verstummte, denn ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut bei der Frage.
    »Dass ich jemanden umgebracht habe?«, ergänzte Tobias. »Ja. Ich hab’s immer irgendwie hinbekommen, nie ins Ausland zu müssen, und hier in der Gegend gibt’s nicht so furchtbar viele feindliche Soldaten, mit denen man’s zu tun kriegen könnte.« Er warf ein paar von den leeren Benzinkanistern in den Laderaum.
    »Justin hat recht. Du kannst gut mit der Waffe umgehen«, sagte ich. »Tut mir leid, dass du sie wirklich benutzen musstest.«
    »Das ist der Sinn des Trainings«, erwiderte er. »Ich hab einfach versucht, in allem so gut wie möglich zu sein, damit die Feldwebel möglichst wenig hatten, wofür sie mich drangsalieren konnten. Wenn du’s genau wissen willst, ich hab mich bloß deshalb zur Armee gemeldet, weil das die einzige Möglichkeit war, etwas Abstand zwischen mich und meinen Stiefvater zu legen. Stellte sich aber raus, dass ich den Laden fast genauso hasste wie ihn.« Er trat einen Schritt zurück, um mir in die Augen schauen zu können. »Dass ich hier bin, hasse ich aber nicht«, fügte er noch hinzu. »Man tut eben einfach das, was nötig ist, um irgendwie durchzukommen.«
    »Ja«, erwiderte ich mit trockenem Hals, während auf der anderen Seite der Lichtung Justins Stimme ertönte, ziemlich matt, aber triumphierend.
    »Ich hab den Schlüssel!«

    Ich erwachte in der Dunkelheit, die Wange ganz kalt vom Autofenster, gegen das ich sie gepresst hatte. Ich blinzelte und versuchte, richtig zu mir zu kommen.
    Wir befanden uns im Lieferwagen. Gav fuhr, Leo studierte die Landkarte – in dem Straßenatlas, den ich ihm am Abend zuvor gegeben hatte, nachdem ich mit ihm den Platz getauscht hatte. Justin saß schlaff an Tobias gelehnt, die Augen geschlossen und die Lippen, denen ein schwaches Schnarchen entwich, leicht geöffnet. Tobias hatte seinen Schal zu einem Kissen zusammengerollt, um darauf zu schlafen, bewegte sich jedoch immer wieder.
    Draußen strich das Licht der Scheinwerfer über die Straße. Der Himmel war düster und mit einer dichten Wolkendecke verhangen, durch die sich nur hier und da etwas Mondlicht zeigte. Die Bäume am Straßenrand unterschieden sich kein bisschen von denen, die ich gesehen hatte, kurz bevor ich eingeschlafen war. Einen Moment lang beschlich mich das ungute Gefühl, wir wären vielleicht im Kreis gefahren, immer rundherum, ohne jemals irgendwo anzukommen.
    Gav hatte offensichtlich bemerkt, dass ich wach war. »Wenn die Uhr da stimmt, ist es fast fünf«, sagte er. »Wir sind gerade auf eine Landstraße abgebogen, wir können also nach einem Platz Ausschau halten, um den Lieferwagen abzustellen. Der Tank ist sowieso fast leer.«
    »Wie weit sind wir gekommen?«, erkundigte ich mich.
    »So gegen zwei haben wir die Grenze nach Quebec überquert«, antworte Leo. »Nur noch eine Provinz, durch die wir durchmüssen!«
    Nur noch eine Provinz. Wir waren so viel näher dran als am Tag zuvor. Einen Moment lang zog ich in Erwägung, den Lieferwagen vielleicht doch zu behalten. Wir könnten es damit in nur wenigen Tagen bis Toronto schaffen …
    Aber diese Leute am anderen Ende des Funkgeräts würden schon bald danach suchen, wenn sie es nicht bereits taten. Es herrschte nicht gerade dichter Verkehr, in den man sich unauffällig hätte einfädeln können. Und den Wagen wie auf einem Präsentierteller in irgendeiner Stadt zu parken, um uns auf die Suche nach Sprit zu machen, wäre ja eine direkte Einladung gewesen, erwischt zu werden.
    »Da steht ein Briefkasten«, sagte Leo und zeigte auf einen dunklen Umriss. Gav trat auf die Bremse, und der Lieferwagen wurde langsamer. Wir fuhren im Schritttempo bis an den Briefkasten heran und bogen dann vorsichtig in die danebenliegende Einfahrt ab. Der Wagen begann zu ruckeln und Justin wurde wach.
    Die Scheinwerfer streiften eine Veranda. Die Haustür

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