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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Gav. Als wir vier die offene Fläche erreichten, hob Justin den Arm und zielte einhändig mit der Pistole auf den Kerl mit dem Revolver. In der Zeit, die Tobias brauchte, um ihn an der Schulter zu packen, feuerte er einmal, zweimal, dreimal.
    Die ersten beiden Schüsse gingen daneben, doch der dritte traf den Mann in den Oberschenkel. Er krümmte sich, stöhnte, hielt aber noch immer die Waffe fest. Als er sie hochhob, riss Tobias die Pistole aus Justins zitternder Hand, nahm den Kerl ins Visier und schoss. Der Mann sackte zusammen.
    »Der andere! Der andere!«, stammelte Justin und zeigte auf die dritte Gestalt, die auf dem Absatz kehrtgemacht hatte und zurück Richtung Straße stürmte. Zurück zu ihrem Lieferwagen. »Er hat uns gesehen! Wir können doch keinen von ihnen entwischen lassen, oder? Er wird wiederkommen, mit Verstärkung, und …«
    »Halt die Klappe!«, blaffte Tobias. Er machte zwei Schritte vorwärts, blieb stehen und schoss auf den zweiten Mann. Ich sah nicht, wo die Kugel ihn traf, doch sein Körper zuckte zusammen und kippte vornüber. Ich hielt mir die Hände vor die Ohren.
    Gav legte den Arm um mich. Tobias atmete auf und ließ die Hand mit der Pistole darin an seine Seite sinken. Die Stille senkte sich schwer auf uns herab, allein auf der Lichtung, wo nun drei Leichen im Schnee lagen.

Sechzehn
    Drei Menschen tot, wegen uns. Weil wir sie umgebracht hatten.
    Als diese Erkenntnis langsam bei mir ankam, begannen meine Beine zu zittern. Ein saures Brennen stieg mir den Rachen hinauf. Ich ließ mich zu Boden sinken und schlang die Arme um die Knie. Das war in diesem Moment alles, was ich tun konnte, um mein Abendessen bei mir zu behalten. Gav hockte sich neben mich, doch der zärtliche Druck des Armes, den er um mich gelegt hatte, fühlte sich schrecklich weit weg an.
    »Wow«, sagte Justin zu Tobias. »Das nenn ich schießen.«
    Tobias wirbelte zu ihm herum. »Was zum Teufel hast du da gemacht?«, schrie er. »Das war ’ne verdammte Stümperei, und zwar deine Stümperei. Ich hätte beim letzten Mal vorbeischießen können. Ich hätte zu spät bei dir sein können, um den anderen Kerl daran zu hindern, dich abzuknallen!«
    »Die waren kurz davor, uns zu entdecken«, protestierte Justin. »Jetzt sind wir in Sicherheit. Ich hab uns gerettet . Von euch hatte ja keiner den Mumm, was zu unternehmen.«
    »Es war auch noch gar nicht nötig, was zu unternehmen«, sagte Leo leise. »Sie sahen aus, als würden sie vielleicht umkehren. Und wenn wir etwas unternommen hätten, dann wäre uns sicher was Besseres eingefallen, als mitten in ihre Schusslinie zu rennen und da wie angewurzelt stehen zu bleiben.«
    Justin lief rot an. »Sie hab ich doch erwischt«, erwiderte er und zeigte auf die Leiche der Frau. »Mit der hat’s perfekt geklappt. Ich wusste ja nicht … ich hab noch nie jemanden erschossen. Ich hab ein bisschen weiche Knie gekriegt. Nächstes Mal passiert mir das nicht mehr.«
    »Nächstes Mal?«, fragte ich und hob den Kopf. »Wie viele Leute willst du denn noch erschießen? Wir sind den ganzen Weg gekommen, um zu verhindern, dass die Menschen weiter sterben. Der Plan ist nicht, die Leute umzubringen!«
    Gav atmete tief durch und richtete sich auf. »Okay, jetzt ist es eben passiert. Es war total idiotisch, aber es ist passiert. Hat sich auch angehört, als hätten die uns mit Vergnügen umgebracht, wenn sie erst den Impfstoff gehabt hätten.«
    »Vielleicht hätten sie auch einfach aufgegeben«, entgegnete ich, obwohl ich wusste, dass das eher ein Wunsch als eine Möglichkeit war.
    »Ich glaub nicht, dass sie allzu schnell weitergefahren wären«, sagte Tobias. »Sie wussten, dass wir hier sind. Was allerdings nicht heißt, dass wir die Sache nicht besser hätten hinkriegen können.«
    »Hört zu, es tut mir leid, ja?«, schnaubte Justin. »Nächstes Mal lass ich zu, dass sie euch alle abknallen, wenn euch das glücklich macht.«
    Ich presste die Handballen gegen die Augen. Meine Gedanken waren so durcheinander, dass ich das Gefühl hatte, nicht einen davon fassen zu können. Auf einmal kam es mir um mich herum merkwürdig leer vor.
    Die Kühlbox. Ich hatte die Impfstoffproben im Wald gelassen.
    Ich erhob mich, ein wenig zitternd noch, und ging durch die Bäume zurück, um die Box und meine Tasche zu holen. Als ich wiederkam, standen die anderen noch so da wie vorher.
    »Wenn hier in ein paar Kilometern Umkreis irgendwer ist, dann hat er wahrscheinlich die Schüsse gehört«, sagte Leo.

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