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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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»Wie alt waren wir da, sieben? Drew musste meinen Traum damals unbedingt zerstören, als er davon Wind bekam. ›Sie verhaften Leute dafür, dass sie bedrohte Tierarten einfangen, weißt du‹, sagte er.«
    »Also das war der Grund, warum du die Sache aufgegeben hast.«
    »Ja«. Meine Heiterkeit bekam einen Dämpfer, als ich an Drew dachte und daran, wo er jetzt war. Bei wem er jetzt war.
    Ich hätte froh sein sollen, dass er noch lebte. Das war ich auch. Aber das Glücksgefühl war getrübt durch die Sorge und die Angst, die es begleiteten.
    »Was denkst du, was er mit diesen Leuten zu schaffen hat, Leo?«, fragte ich.
    Leos Gesichtsausdruck wurde ernst. »Wir wissen doch noch nicht einmal genau, wer die eigentlich sind«, antwortete er.
    »Wir wissen, dass sie den Impfstoff lieber für sich selbst haben wollen, als uns jemanden suchen zu lassen, der genug für alle davon herstellen kann. Und sie sind bereit, Leute anzulügen und ihnen etwas anzutun, um zu kriegen, was sie wollen.«
    Leo zuckte mit den Schultern und sah in Richtung Fenster. In dem Licht, das die Taschenlampe zurückwarf, wirkte sein Gesicht ganz bleich. »Du hast wahrscheinlich gerade so gut wie jede Person beschrieben, die momentan noch am Leben ist, Kae. Vielleicht musste er sich ihnen anschließen, um selbst zu überleben.«
    »Aber das ist Drew «, erwiderte ich. »Du kennst ihn. Er war immer der totale Weltverbesserer, hat das komplette Internet vollgepostet, jede Ungerechtigkeit angeprangert. Manchmal ist es einem schon auf die Nerven gegangen, aber so ist er eben. Wie kann es denn sein, dass er mit Leuten gemeinsame Sache macht, die durch die Gegend laufen und andere umbringen?«
    »Die Menschen ändern sich«, antwortete Leo. »Wenn die ganze Welt so den Bach runtergeht, tut man manchmal Dinge, von denen man nie geglaubt hätte, dass man sie tun würde, nur weil man keinen anderen Ausweg sieht.«
    »So wie Justin meinst du?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Er wollte diese Leute erschießen. Es ging nicht nur darum, zu überleben.«
    »Kann sein«, erwiderte Leo mit matter Stimme. »Aber ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Ich habe Schlimmeres getan.«
    Die Worte standen einen Augenblick lang im Raum. Dann begann ich mich darüber lustig zu machen. »Das nehm ich dir nicht ab. Du würdest nie …«
    »Du hast keine Ahnung, Kae«, fiel er mir ins Wort. »Du hast ja keine Ahnung …«
    Er setzte sich auf die Bettkante und ließ den Kopf hängen. »Ich weiß, du denkst, ich wollte wegen all dem, was ich gesehen habe, nicht mit dir darüber reden, wie ich zurück auf die Insel gekommen bin. Aber das ist es nicht. Es ist das, was ich getan habe.«
    Mein Herzschlag setzte kurz aus.
    »Was hast du denn getan?«, fragte ich.
    Einen Augenblick lang dachte ich, er würde wieder dichtmachen. Er sog einen zittrigen Atemzug ein. Und dann begann er zu sprechen, mit einer inneren Leere, die fast genauso schwer zu ertragen war wie seine Worte.
    »Ich musste nach Hause, zurück auf die Insel«, erzählte er. »Aber ich hatte in der Schule kaum Geld. Da hab ich alles Bare aus dem Geldbeutel meines Zimmergenossen gestohlen, um den Bus für den größten Teil der Strecke bis zur Grenze zu bezahlen. Den Rest müsste ich zu Fuß gehen, dachte ich, aber eine Frau, die auch in die Richtung fuhr, sah mich und bot an, mich mitzunehmen. Sie war krank und trug eine dieser Schutzmasken, aber sie hustete andauernd. Ich hatte totale Panik, mich bei ihr anzustecken. Also bin ich abgehauen. Auf einem Rastplatz bin ich in ihr Auto gesprungen und hab sie einfach da zurückgelassen. Ich hab mir eingeredet, es wäre egal, weil sie ja sowieso sterben würde.«
    Er hielt inne, schluckte und erzählte weiter. »Und dann war da das Quarantänelager an der Grenze. Es sollte eigentlich nur für eine Woche sein, aber die Soldaten änderten jeden zweiten Tag ihre Meinung – erst wurden es zwei Wochen, dann drei –, irgendwann schien es, als würden sie uns niemals über die Grenze lassen, und es wurde immer voller, und die Lebensmittel gingen langsam aus, und sie schleppten dauernd Leute weg, die anfingen, Symptome zu zeigen … Da hab ich mir die Jacke von einem Typen geschnappt, die einzige, die er hatte, und ein Paket Essen, das eigentlich für alle bestimmt war, damit ich weglaufen konnte.«
    »Leo«, sagte ich, und er schüttelte den Kopf.
    »Ich hatte immer diese Vorstellung, dass ich ein guter Mensch bin, weißt du? Genau wie du es über Drew gesagt hast. Und

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