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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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Töpfen«, sagte Justin. »Meine Wasserflasche ist leer.«
    »Aber geh nicht von der Veranda runter«, mahnte Leo und Justin zog eine Grimasse.
    »Ich bin ja nicht blöd.«
    Weder in der Nähe der Vorder- noch bei der Hintertür waren Jacken oder Schuhe zu sehen, doch als Gav und ich uns oben in den Schlafzimmern umschauten, entdeckten wir Schränke voller Kleidung. Die Betten waren ordentlich gemacht. Im Flur hing ein Familienfoto: Mutter und Vater, ein Sohn und zwei jüngere Schwestern, allesamt mit dunkelbraunem Haar und Sommersprossen im Gesicht. Gav überraschte mich dabei, als ich es betrachtete.
    »Glaubst du, sie sind geflohen?«, fragte er.
    »Dann hätten sie mehr von ihren Sachen mitgenommen«, erwiderte ich. »Wahrscheinlich sind ein oder zwei von ihnen krank geworden, und sie sind alle ins Krankenhaus gefahren.«
    »Und nicht mehr zurückgekehrt.«
    »Ja.« Weil sie irgendwo steckengeblieben waren vielleicht, oder weil das Virus sich von einem zum anderen übertragen hatte, so lange, bis sie alle daran gestorben waren.
    In der Küche trafen wir auf Leo. »Ich hab im Keller eine Tüte Kartoffeln und ein paar Steckrüben gefunden«, verkündete er und platzierte die Sachen auf der Theke. »Die Kartoffeln sind größtenteils schon matschig, aber ein paar davon können wir vielleicht noch nehmen.«
    »Kartoffeln und Steckrüben zum Abendessen«, sagte Gav und rieb sich die Hände. »Da kann ich uns eine richtige Mahlzeit draus zaubern. Und etwas Dosenfleisch ist auch noch da, oder? Haben sie uns irgendwas an Gewürzen dagelassen?«
    »Ich hab bloß Salz- und Pfefferstreuer im Schrank gesehen.« Gav zuckte mit den Schultern. »Das muss dann wohl reichen.«
    Die Wärme des Ofens zog langsam in die Küche. »Ich sollte noch ein bisschen Schnee in die Kühlbox tun«, sagte ich. »Vielleicht stelle ich sie lieber auf die Veranda, um sicherzugehen, dass sie auch kalt genug bleibt.«
    Wir hatten die Schlitten im Hausflur abgestellt. Meiner stand direkt vor der Küche. Ich hob das Laken an, mit dem er zugedeckt war, und schnappte nach Luft.
    »Stimmt was nicht?«, erkundigte sich Leo.
    »Die Kühlbox«, antwortete ich. »Sie ist weg.«
    »Was?«, fragte Gav und wirbelte herum.
    In meinem Kopf drehte sich alles. Ich konnte sie doch nicht im Sturm verloren haben, oder? Ich hätte bestimmt gemerkt, dass die Ladung leichter wird … oder vielleicht doch nicht, weil der Wind mich so heftig geschüttelt hatte? Aber ich hatte sie doch so fest verstaut, und die anderen Sachen waren auch noch alle da.
    »Hat einer von euch sie genommen?«
    Sie schüttelten die Köpfe, und ich marschierte ins Wohnzimmer. Tobias schob gerade mit dem Schürhaken einen Holzscheit zurecht. Die Töpfe, die Justin gefüllt hatte, standen im Kreis um den Ofen herum, und die Schneeberge begannen schon, sich aufzulösen.
    »Habt ihr die Kühlbox gesehen?«, fragte ich.
    Tobias runzelte die Stirn. »Die ist doch auf deinem Schlitten, oder nicht?«
    »Nicht mehr.« Ich schluckte, mein Mund war ganz trocken. Vielleicht war ich in Gedanken gewesen und hatte sie selbst woanders hingetan. Wir waren ziemlich überstürzt in das Haus gekommen. Ich rannte zur Vordertür, bereitete mich innerlich auf den tosenden Wind vor und sah dann auf der Veranda nach. Nichts als Schnee. Ich trabte zurück in die Küche. Gav und Leo halfen mir dabei, die Schränke auf- und wieder zuzumachen. Nichts.
    Sie musste doch irgendwo sein! Ich raste zu dem kleinen Wintergarten, der an die Küche grenzte, und blieb mit einem Ruck im Türrahmen stehen.
    Justin saß auf einem Gartenstuhl vor den großen Fenstern, die Kühlbox zu seinen Füßen, den Deckel auf dem danebenstehenden Tisch. Der Innenbehälter war ebenfalls offen. Er hielt sich eine der Ampullen auf Augenhöhe vors Gesicht und blinzelte in das schwache Licht, das durch den Sturm von draußen hereinfiel.
    Als er mich sah, sprang er auf. Die Ampulle glitt ihm aus der Hand und für den Bruchteil einer Sekunde dachte ich, sie würde herunterfallen und auf dem Fliesenboden zerspringen. Dann schlossen sich seine Finger wieder fest darum, und er ließ sie auf seinen Schoß sinken.
    »Was machst du da?!«, fragte ich mit noch immer rasendem Puls. »Du kannst doch damit nicht einfach in der Gegend herumlaufen!«
    Justin schob trotzig die Unterlippe vor. »Ich hab sie mir doch bloß angesehen . Sieht nicht groß nach was aus, oder? Nicht wie etwas, das den Leuten das Leben retten kann. Man könnte fast meinen, jemand hätte gerade in

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