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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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haben ihr Essen gegessen und ihr Holz verbrannt und in ihren Betten geschlafen, während sie hier draußen in der Kälte und dem Blut lagen …
    Jemand hastete an uns vorüber. Dann stoppten die Schritte mit einem lauten Luftholen.
    »Was ist los?«, fragte Gav.
    »Vier«, antwortete Leos Stimme. Er schluckte hörbar. »Vier Leichen. Sieht aus … Sieht aus, als wäre es die ganze Familie.«
    »Sie waren zu fünft«, sagte ich und krallte die Finger in Gavs Jacke. »Auf dem Foto waren fünf.«
    Gav drückte mich fester an sich. »Das Virus?«
    »Erschossen«, erwiderte Leo. »Vom Vater glaub ich, und anschließend hat er sich selbst umgebracht.
    »Was?«, fragte Justin und drängelte sich an uns vorbei. »Was ist da los?« Ich blickte auf und sah ihn an Leo vorüberhasten. Als er die Leichen erblickte, zuckte er zusammen und wich ein paar Schritte zurück.
    »Wie konnte er das nur tun?«, fragte ich. Das Bild hatte sich förmlich in mein Hirn gebrannt, es war einfach zu deutlich, um es irgendeiner Halluzination zuzuschreiben. Er hatte sie vorsätzlich hierhergebracht, um sie zu töten. Seine eigenen Kinder. Und seine Frau.
    »Wir wissen nicht, was passiert ist, Kae«, sagte Gav leise. »Vielleicht waren sie alle krank, und er dachte, das hier wäre besser, als es noch schlimmer werden zu lassen.«
    »Er hatte doch den Schneepflug«, erwiderte ich. »Sie hätten wenigstens versuchen können, irgendwo Hilfe zu bekommen.« Stattdessen hatte er einfach entschieden, für sie alle, dass es keinen Sinn hatte, weiterzumachen.
    Vielleicht hätte ich das verstehen müssen. Es gab eine Zeit, da hatte auch ich nicht länger kämpfen wollen. Damals, als ich dachte, ich wäre ganz allein auf der Welt und alles wäre sinnlos. Aber ich hatte mich geirrt. Ich war gar nicht alleine gewesen – ich hatte Gav und Tessa und Meredith gehabt. Wenn ich nicht weitergekämpft hätte, wäre Meredith wahrscheinlich gestorben und die Impfstoffproben wären womöglich so lange im Forschungszentrum geblieben, bis niemand mehr übrig war, der sie noch hätte finden können.
    Und selbst in meinem schwächsten Moment hatte ich nur für mich selbst entschieden. Niemals hätte ich irgendjemanden mit mir über diese Klippe genommen.
    »Lasst uns einfach gehen«, sagte Leo. »Wir können nichts mehr für sie tun.«
    Das stimmte leider. »Ist gut«, sagte ich und wandte den Blick ab.
    Als wir nach draußen zum Truck kamen, hatte Justin seinen üblichen Tatendrang wiedererlangt. »Ich fahr als Erster!«, rief er und hielt den Schlüssel in die Höhe, den er sich aus dem Zündschloss geschnappt haben musste, als Gav ihn da steckenließ.
    »Du bist erst vierzehn«, entgegnete Tobias. »Du hast noch gar keinen Führerschein.«
    »Ich hab geübt«, antwortete Justin. »Mein Dad hat mich sonntagmorgens immer mitgenommen, um ’ne Runde auf den Nebenstraßen zu drehen. Außerdem sind ja momentan wohl kaum Bullen unterwegs, die uns anhalten und checken würden.«
    »Ich gehe jede Wette ein, dass du nicht auf ungeräumten Highways geübt hast«, entgegnete Leo.
    »Wie auch immer«, erklärte Gav, »ich hab den Schlüssel gefunden, also fahre ich auch als Erster. Kommt in die Gänge.«
    Er hielt die Hand auf, doch Justin machte einen Schritt zurück und umschloss den Schlüssel fest mit der Faust. »Gebt mir doch mal ’ne Chance«, sagte er. »Ich dachte, ihr wollt alle, dass ich auch meinen Beitrag leiste.«
    Tobias seufzte. »Vermutlich war dein Dad auch derjenige, der dir beigebracht hat, so toll mit einer Waffe umzugehen.«
    »Ich glaub nicht, dass jetzt gerade der günstigste Zeitpunkt ist, um rauszufinden, ob das auch fürs Autofahren gilt«, meinte Leo.
    »Kommt schon«, sagte Gav. »Wir verschwenden unsere Zeit.«
    Er packte Justins Hand, und Justin schubste ihn weg. Doch Gav hatte schon viele Kämpfe ausgetragen. Noch ehe ich protestieren konnte, hatte er sich Justins Arm gegriffen und ihm auf den Rücken gedreht. Als Justin ihn daraufhin mit dem Ellbogen traktierte, rutschte ihm der Schlüssel aus den Fingern. Etwas silbrig Glitzerndes flog in hohem Bogen durch die Luft, klatschte irgendwo hinter der Einfahrt in den Schnee und verschwand. Mir blieb das Herz stehen.
    Gav lockerte den Griff, und Justin zerrte seinen Arm weg. »Da habt ihr’s!«, rief er. »Was sollte das, verdammt nochmal? Jetzt hab ich ihn verloren.«
    »Du hättest dich eben nicht wie ein Fünfjähriger aufführen sollen«, zischte Gav und suchte mit dem Blick den Schnee ab. »Dann

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