Und wieder Carmel
richtigen Worte, um mich aufzubauen oder mich zu unterstützen.
Betty entpuppte sich ebenfalls als wertvolle Bereicherung, durch ihr
freundliches Wesen und ihre positive Lebenseinstellung verlebten wir drei ein
paar schöne Tage in Monterey. Sie zeigten mir die Stadt, ihre Highschool und
den Strand. Wir gingen schoppen, Eis essen und abends ins Kino. Claires
Gasteltern glichen im Wesen dem von Betty. Herzensgute Menschen, einfach,
bescheiden aber immer freundlich und das Glas war bei ihnen immer halb voll und
nicht halb leer.
Der Abschied fiel mir besonders schwer und die Aussicht, dass der
Scherbenhaufen meines Lebens, den ich verlassen hatte, in Carmel auf mich
warten würde, ermutigte mich nicht gerade, in den Wagen von Glen einzusteigen.
Jamie und Amy waren überglücklich mich zusehen. Ich lächelte bei ihrem Anblick,
doch der Mustang, der immer noch vor dem Haus stand, verdüsterte meine Stimmung
abrupt.
10.
Kapitel
Das Probeessen neigt sich dem Ende zu. Zum Nachtisch
gibt es Erdbeersorbet auf Vanilleeis und Kaffee. Amy umarmt mich und geht
zurück auf ihren Platz. Während ich still vor mich hin löffle, höre ich meine
Tasche vibrieren. Als ich sie öffne leuchtet mein Handy mit einer neuen SMS von
Claire: Na, schon betrunken?
Ich: Nicht genug.
Claire: Wo ist Alex.
Ich: Sitzt schmollend neben mir.
Claire: Sei froh, sonst heulst Du nachher wieder.
Ich: Bestimmt nicht.
Ich schlürfe an meinem Wein und lausche Rita-Sue. Sie
erzählt, wie Scott, Alex und ich ihr das Leben retteten. Bilder dieses Tages
zeigen sich mir und ich denke an den schrecklichen Nachmittag zurück. Es war am
Ende des Sommers, es war noch sehr warm in Carmel und lange vor der
Silvesternacht. Es hatte damit angefangen, dass Alex und ich unsere erste Nacht
miteinander verbracht hatten und ich danach bei ihm eingeschlafen war. Der
Sheriff und Jamie waren äußerst enttäuscht von uns, dass ich nicht rechtzeitig
zu Hause war oder zumindest angerufen hatte. Als Strafe erhielt ich das
Schlimmste, was sie mir antun konnten, sie brummten mir eine Woche Hausarrest
auf. Wenn auch widerwillig musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel
beißen.
Nach vier Tagen konnte Jamie den Anblick des armen traurigen Mädchens wohl
nicht weiter ertragen und erließ mir den Rest meiner Strafe. Wie eine Verrückte
radelte ich zu Alex, der leider nicht zu Hause war. Ich radelte weiter zu
Scott, wo ich Alex’ Mustang vor dem Haus stehen sah. Aufgeregt drückte ich
nervös den Klingelknopf, aber nichts tat sich. Außer der dröhnenden Musik vom
Nachbargrundstück konnte ich nichts hören. Ich lief am Haus entlang, hin zur
Musik und versuchte über den Zaun zu gucken.
„Alex!“, hörte ich dort jemanden schreien. Das war mein Stichwort und
gleichzeitig meine Eintrittskarte, das Grundstück zu betreten. Nach nur wenigen
Schritten blieb ich wie erstarrt stehen. Ein Bild des Schreckens bot sich mir
und ich hielt vor Entsetzen den Atem an. Mein Freund Alex beugte sich am Rand
eines Pools über ein Mädchen, das nur mit einem Bikini bekleidet war und küsste
sie. Scott planschte im Pool und feuerte Alex lautstark an. Vicky stand, die
Hände vor ihren Mund haltend, kichernd im Bikini neben Alex.
Ich wollte schreien, konnte es aber nicht, ich bekam keine Luft in meine
Lungen. Mein Hirn schrieb das Wort ‚Lauf’ in einer Endlosschleife und gerade
als ich mich umdrehen wollte, rief Scott: „Anna, schnell hilf ihm!“
„Was?“, rief ich verwirrt gegen die Musik an.
„Hilf ihm“, brüllte Scott aus Leibeskräften.
„Anna“, rief Alex und sah mich Hilfe suchend an. Ich lief zu ihm und erkannte
das reglose Mädchen am Pool, es war Rita-Sue. Alex hatte sie nicht geküsst, er
hatte versucht, sie wiederzubeleben. Sie blutete sehr stark an der Stirn und
der Boden unter ihr färbte sich rot. Vicky stand zitternd neben uns und weinte.
Mit meinen Fingern tastete ich nach Rita-Sues Puls an ihrem Handgelenk, konnte
jedoch keinen finden. Alex rutschte beiseite und ich hielt mein Ohr an
Rita-Sues Nase und aber hörte sie nicht atmen. Ich drückte ihr Kinn nach
hinten, hielt ihr die Nase zu und blies ihr so kräftig ich konnte in den Mund.
“Alex, Arzt“, rief ich zwischen zwei Atemzügen und er lief sofort ins Haus. Die
Musik verstummte und ich zählte laut: „Eins, zwei, drei, vier, fünf“, holte
tief Luft und blies sie Rita-Sue wieder den Mund.
„Vicky, hilf mir“, rief ich, aber sie bewegte sich nicht.
„Scott komm zu mir“, befahl ich und er zog sich
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