Und wieder Carmel
Plötzlich fühlte ich jemanden dicht
hinter mir stehen und meine Sensoren schalteten in Sekundenschnelle auf
hypersensibel.
„Es tut mir unendlich leid“, haucht er mir ins Ohr.
Diese Worte katapultierten mich aus meiner kurzfristigen Lethargie und ich nahm
meine Umwelt mit allen Geräuschen und Bildern wieder vollständig wahr. Ich ließ
Amy und Alex ohne ein Wort stehen, rannte ins Wohnzimmer und wühlte mich durch
den Jackenberg. Ich konnte meine nicht finden, zog stattdessen, die von Alex
an. Ich fingerte nach Alex Wagenschlüssel und verließ zielstrebig das Haus. Der
Mustang stand an der Straße. Ich stieg ein, startete den Motor, zog den
Handschalthebel auf D und gab Gas. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte mir Amys
kläglichen Versuch, mein Vorhaben zu stoppen. Aber ich musste da unbedingt weg,
also gab ich noch mehr Gas.
Ich fuhr die Straße entlang und hielt vor dem Haus der Larsons. Mit aller Kraft
knallte ich die Wagentür zu und lief ins Haus. Dort rannte ich die Treppe
hinauf und warf mich weinend auf mein Bett. Die Larsons feierten bei den
Nachbarn und ich war ganz allein im Haus. Das Einzige, was ich noch wollte, war
nach Hause fahren. Weil das nicht möglich war, rief ich den einzigen vertrauten
Menschen an, der erreichbar war: Claire.
„Was ist los?“
„Alex hat eine Andere“, schluchzte ich ins Telefon. Im Hintergrund hörte ich
laute Musik und ausgelassene Stimmen singen.
„Soll ich zu dir kommen? Wo ist Amy?“
„Sie ist noch im Strandhaus, wo wir gefeiert haben.“
„Und wie bist du nach Hause gekommen?“
„Ich bin mit Alex Wagen gefahren.“
„Ach Anna.“ Claires Stimme klang besorgt und dennoch bewundernd.
„Kann ich zu dir kommen, Claire? Ich kann hier nicht mehr sein.“
„Natürlich. Aber dann mit dem Bus, oder der Sheriff soll dich fahren. Du kannst
bei Alex Auto die Reifen zerstechen, aber nicht mehr selbst fahren, hörst du?“
„Reifen zerstechen ist eine gute Idee.“
Nach dem Telefonat mit Claire weinte ich
mich in den Schlaf. Ich hörte Amy wie sie kurz, in mein Zimmer kam und weil ich
mich schlafend stellte, schloss sie wieder leise die Tür. Am nächsten Morgen
klingelte früh das Telefon und als ich wenig später die Treppe hinunter kam,
sagte Jamie: „Happy New Year , Anna.“ Sie drückte mich
fest an sich und ich erwiderte ihre Begrüßung. Bei ihrer Umarmung schossen mir
Tränen in die Augen und ich kämpfte dagegen an.
„Alex hat schon angerufen. Ich dachte, er wäre hier, sein Auto steht doch vor
der Tür?“
„Wir ... wir ...“ stotterte ich, „wir sind nicht mehr zusammen.“
„Was? Wieso? Was ist passiert?“
„Eine Blondine ist passiert. Jamie, kann ich für ein paar Tage zu Claire nach
Monterey?“
„Ähm, ja, natürlich Darling. Aber willst du nicht erst noch einmal mit ihm
sprechen, oder mit Amy oder auch mit mir?“
„Da gibt es nichts zu besprechen. Amy hat es ebenfalls gesehen und ich brauche
ganz dringend ein wenig Abstand. Die Gefahr, dass Alex hier auftaucht oder auch
nicht ist einfach zu hoch.“
„Ich verstehe. Du möchtest also gleich jetzt los, richtig?“
„Ja, wenn es irgend geht.“
„Natürlich“, sagte Jamie besorgt und ging in die Küche.
Ich hatte meine kleine Tasche bereits gepackt und wartete im Flur. Die
Wagenschlüssel des Mustangs legte ich auf die kleine Kommode am Eingang. Dann
klopfte es an der Tür. Durch die Milchglasscheibe konnte ich die Umrisse von
Alex erkennen und geriet in Panik. Auf Zehenspitzen lief ich in die Küche.
„Jamie!“, flüsterte ich. „Alex steht vor der Tür. Ich will ihn nicht sehen, auf
keinen Fall. Seine Wagenschlüssel liegen auf der Kommode.“
Jamie nickte nur und ging zur Haustür.
„Hallo Alex“, begrüßte sie ihn freundlich.
„Hallo Jamie. Ist Anna schon wach?“, fragte er mit unsicherer Stimme.
„Ja.“
„Kann ich mit ihr reden?“
„Sie will dich nicht sehen.“
„Das kann ich gut verstehen. Aber wir sollten das dringend klären“, sagte er.
„Das denke ich auch, aber Anna ist zurzeit nicht bereit, mit dir zu reden. Sie
ist verstört und zutiefst verletzt. Sie wird selbst entscheiden, wann sie
bereit ist, mit dir zu reden“, sagte Jamie bestimmt.
„Ok. Dann werde ich warten.“
„Ach Alex, hier dein Autoschlüssel.“ Jamie nahm den Schlüssel von der Kommode
und gab meinen Blick von der Küche aus zur Tür frei. Alex stand unsicher mit
beiden Händen in den Hosentaschen in der Tür. Ich hielt mich bedeckt und linste
vorsichtig um die Ecke.
„Nein, lass ihn
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