Undank Ist Der Väter Lohn.
Patricia. Gerade du müßtest das doch eigentlich wissen. Ich mag es nicht, wenn man mich belügt. Vertrauen ist das Fundament jeder Beziehung, und wenn ich’s mir gefallen lasse, daß jemand mich aufs Kreuz legt, dann werden das alle anderen als Freibrief betrachten, Martin Reeve in die Pfanne zu hauen. Aber genau das werde ich nicht zulassen.«
»Du hast mit ihr geschlafen, stimmt’s?« Tricias Gesicht war verkniffen.
»Red keinen Quatsch.«
»Du bildest dir ein, ich merke so was nicht, Du denkst dir, die gute Trish ist ja sowieso die meiste Zeit völlig dicht. Was kann die schon merken? Aber ich merke es. Ich hab genau beobachtet, wie du sie angesehen hast. Ich hab’s gewußt, als es passiert ist.«
Martin seufzte. »Du brauchst einen Schuß. Entschuldige, daß ich es so derb ausdrücke, mein Schatz. Ich weiß, du meidest dieses Thema lieber. Aber es ist nun einmal so, daß du jedesmal Wahnvorstellungen hast, wenn du zu schnell runterkommst. Du brauchst einen Schuß.«
»Ich kenne dich doch.« Ihre Stimme wurde schrill, und er fragte sich beiläufig, ob er ohne ihre Mithilfe mit der Nadel zurechtkommen würde. Aber welche Mengen spritzte sie sich dieser Tage überhaupt? Es würde ihm gar nichts nützen, wenn er es schaffte, ihr den Schuß zu setzen, nur um damit zu erreichen, daß seine Frau dann im Koma ab transportiert würde. Das war wirklich das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. »Ich weiß doch, wie gern du deine Macht spielen läßt, und den großen Boß hervorkehrst, Martin. Und so eine kleine Studentin eignet sich doch bestens für solche Machtspielchen – los, Mädchen, Hose runter, und dann schaust du zu, wie schnell sie pariert.«
»Wie kannst du nur solchen Blödsinn reden, Tricia? Hör dich doch bloß an!«
»Du hast mit ihr geschlafen, und dann ist sie verschwunden. Puff – hat sich einfach in Luft aufgelöst.« Tricia schnippte mit den Fingern. Ziemlich kraftlos, wie Martin bemerkte. »Und das hat dich geärgert, nicht? Und wir wissen ja, wie du reagierst, wenn dich was ärgert.«
Es juckte Martin in den Fingern, ihr eine Ohrfeige zu versetzen. Er hätte es auch getan, wäre er nicht sicher gewesen, daß sie dann, zugedröhnt oder nicht, schnurstracks zu Daddy laufen würde, um sich zu beschweren. Und Daddy würde Forderungen stellen, wenn sie das tat. Zuerst Entzug. Dann Scheidung. Keines von beiden paßte Martin in den Kram. Eine reiche Heirat – auch wenn das Geld aus einem gutgehenden Antiquitätengeschäft stammte und nicht nach bester blaublütiger Art von Generation zu Generation vererbt worden war – hatte ihm ein Maß an gesellschaftlicher Anerkennung eingebracht, wie er es als bloßer Einwanderer niemals erreicht hätte, selbst wenn er geschäftlich noch so erfolgreich gewesen wäre. Er war nicht bereit, auf dieses gesellschaftliche Ansehen zu verzichten.
»Wir können dieses Gespräch später weiterführen«, sagte er mit einem Blick auf seine Taschenuhr. »Jetzt hast du noch Zeit, ins Dorchester zu kommen, ohne dich oder mich gründlich zu blamieren. Sag einfach, es wäre der Verkehr gewesen: ein Fußgänger, der in Notting Hill Gate von einem Taxi angefahren worden ist. Du hast angehalten, um Hilfe zu leisten, bis der Rettungswagen kam. Eine Laufmasche in deinem Strumpf würde die Geschichte vielleicht noch glaubwürdiger machen.«
»Hör auf, mich wie eine dumme Gans zu behandeln.«
»Dann hör du auf, dich wie eine zu benehmen«, versetzte er, ohne nachzudenken, und bereute es sofort. Was für einen Sinn hatte es, diese blödsinnige Diskussion noch weiter anzuheizen, bis ein Riesenkrach daraus wurde? »Komm, Schatz«, sagte er, um Versöhnung bemüht, »hören wir doch auf mit diesem Gezänk. Wir lassen uns von einem simplen Routinebesuch der Polizei ins Bockshorn jagen. Was Nicola Maiden angeht –«
»Wir haben seit Monaten nicht mehr miteinander geschlafen, Martin.«
Er fuhr unbeirrt fort. »– so ist es bedauerlich, daß sie tot ist, und bedauerlich, daß sie ermordet wurde, aber da wir damit nichts zu tun haben –«
»Wir. Haben. Seit. Juni. Nicht. Gevögelt.« Ihre Stimme schwoll an. »Hörst du mir überhaupt zu? Hörst du, was ich sage?«
»Beides«, antwortete er. »Und wenn du nicht immer den größten Teil des Tages hackedicht wärst, war’s um dein Gedächtnis vielleicht besser bestellt.«
Das brachte sie endlich zum Schweigen, Gott sei Dank. Ihr lag schließlich ebensowenig daran wie ihm, ihre Ehe zu beenden. Sie brauchte ihn so nötig wie
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