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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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verstehe. Du hast also jemand anderen in London.« »Jule, du hörst mir nicht zu.«
»Doch. Du hast gesagt –«
    »Du hörst, was ich sage, ja. Aber trotzdem hörst du mir nicht richtig zu. Ich lasse mich von Männern für meine Begleitung bezahlen.«
    »Du gehst mit ihnen aus.«
    »Ja, so könnte man es nennen. Ich bin für jeden da, der sich bei einem Essen, im Theater, bei einer Vernissage oder auf einer Party mit einer gutaussehenden Frau zeigen möchte. Und dafür bezahlen mich die Männer. Sie bezahlen mich auch für Sex. Je nachdem, was ich ihnen biete, in bezug auf Sex, meine ich, bezahlen sie mir eine Menge. Ich hätte nie gedacht, daß man soviel Geld damit verdienen kann, fremde Männer zu vögeln.«
    Die Worte waren wie Schüsse. Und er reagierte wie von einer Salve getroffen. Er erlitt einen Schock. Es war nicht der körperliche Schock, wie er durch plötzlichen Blutverlust oder durch einen Sturz aus großer Höhe hervorgerufen wird, sondern jene Art von Schock, der die Psyche so heftig erschüttert, daß man nur noch ein einziges Detail wahrnehmen kann, im allgemeinen jenes Detail, das den eigenen inneren Frieden am wenigsten bedroht.
    Und so nahm er nur ihr Haar wahr, wie das Licht von hinten zwischen den einzelnen Strähnen hindurchschimmerte und ihr die Aura eines fleischgewordenen Engels verlieh. Aber an dem, was sie sagte, war nichts Engelhaftes. Jedes Wort war schmutzig und ekelhaft. Und während sie zu sprechen fortfuhr, starb er innerlich einen langsamen Tod.
    »Niemand hat mich dazu gezwungen«, sagte sie und nahm ein Bonbon aus ihrer Handtasche. »Weder zu der Arbeit als Hosteß. Noch zu dem anderen. Dem Sex. Ich habe mich allein und aus freien Stücken dafür entschieden, als ich sah, was für Möglichkeiten sich da boten, und als mir klar wurde, wieviel ich zu bieten hatte. Anfangs bin ich nur mal auf einen Drink mit ihnen ausgegangen. Ab und zu auch zum Essen. Oder ins Theater. Ganz ohne Hintergedanken, verstehst du? Man hat sich ein paar Stunden miteinander unterhalten, aufmerksam zugehört, auch mal geantwortet, wenn das erwartet wurde, immer nett und immer liebenswürdig. Aber unweigerlich haben sie gefragt – jeder von ihnen –, ob ich auch zu mehr bereit wäre. Zuerst hab ich gedacht, nie im Leben. Das könnte ich nicht. Ich kannte sie ja nicht mal. Und ich hatte immer geglaubt – ich meine, ich konnte mir nicht vorstellen, mit einem Mann ins Bett zu gehen, den ich nicht kannte. Bis dann einer kam, der fragte, ob er mich wenigstens anfassen dürfte. Fünfzig Pfund dafür, daß er mir mal zwischen die Beine fassen und meine Haare streicheln darf.« Ein Lächeln. »Als ich da unten noch Haare hatte. Bevor ... du weißt schon. Ich hab’s ihm erlaubt, und es war halb so schlimm. Eigentlich war’s sogar komisch. Ich hab angefangen zu lachen – im stillen natürlich nur, nicht offen –, weil ich es so – na ja, einfach albern fand. Dieser Typ – älter als mein Vater – stöhnt und keucht wie ein Walroß, bloß weil er ein bißchen fummeln darf. Als er mich dann angefleht hat, daß ich ihn doch auch anfassen soll, habe ich gesagt, das würde fünfzig Pfund mehr kosten. Ihm war alles recht, da habe ich ihm eben den Gefallen getan. Hundert Pfund dafür, daß ich ein bißchen mit seinem Schwanz gespielt habe und mich von ihm begrapschen ließ.«
    »Hör auf!« stieß er schließlich mühsam hervor.
    Aber sie wollte es ihm unbedingt begreiflich machen. Sie waren schließlich Freunde. Sie waren immer Freunde gewesen. Von dem Moment an, als sie einander in Bakewell zum erstenmal begegnet waren: sie ein siebzehnjähriges Schulmädchen mit einer Körperhaltung und einem Gang, die damals schon eine unverhüllte sexuelle Herausforderung gewesen waren, nur daß er es bis zu diesem Moment nicht gesehen hatte, und er fast drei Jahre älter als sie, Student, für die Semesterferien nach Hause gekommen und gepeinigt von den Sorgen um seinen trunksüchtigen Vater und das Haus, das ihm über dem Kopf einzustürzen drohte. Aber Nicola hatte seine Sorgen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Sie hatte nur die Gelegenheit zu einem kleinen Abenteuer gewittert. Die sie nur allzu gern wahrgenommen hatte. Das begriff er jetzt.
    »Weißt du, das ist ganz einfach eine Lebensweise, die mir im Augenblick gut paßt. Das wird sicher nicht immer so sein. Aber jetzt ist es eben so. Und darum greife ich zu, Jule. Ich wäre dumm, wenn ich es nicht täte.«
    »Du bist vollkommen verrückt geworden«, sagte er

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