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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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damit befaßte, würde es mir gelingen, die Ereignisse mit Ihren Augen zu sehen.«
    »Aber es ist Ihnen nicht gelungen.« Barbara versuchte, sich nichts von ihrer Enttäuschung anmerken zu lassen. »Es ist Ihnen nicht gelungen zu sehen, daß ein Menschenleben auf dem Spiel stand. Sie konnten nicht begreifen, daß ich nicht imstande war, ein achtjähriges Kind ertrinken zu lassen.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Lynley. »Das habe ich natürlich verstanden. Trotzdem gab es für mich kein Ausweichen vor der Tatsache, daß Sie sich außerhalb Ihrer Zuständigkeit befanden und auf eine Anweisung hin –«
    »Sie war genauso außerhalb ihrer Zuständigkeit«, fiel Barbara ihm ins Wort. »Und alle anderen waren es auch. Die Polizei von Essex hat auf der Nordsee keine Befugnisse. Aber dort hat es sich abgespielt. Das wissen Sie doch. Draußen auf See.«
    »Ja, das weiß ich. Ich kenne alle Einzelheiten. Ich weiß, daß Sie einen Verdächtigen verfolgten und dieser ein Kind, das auf seinem Boot war, ins Meer stieß. Ich weiß, was für einen Befehl Sie erhalten haben, als er das tat, und wie Sie auf diesen Befehl reagiert haben.«
    »Ich konnte es nicht einfach dabei bewenden lassen, ihr einen Rettungsring zuzuwerfen, Inspector. Er wäre gar nicht bis zu ihr gelangt. Sie wäre ertrunken.«
    »Barbara, bitte hören Sie mir zu. Es war nicht Ihre Sache, Entscheidungen zu treffen oder Schlußfolgerungen zu ziehen. Deswegen haben wir ja eine dienstliche Rangordnung. Es wäre schon schlimm gewesen, wenn Sie der Anweisung, die Sie erhalten hatten, widersprochen hätten. Aber Sie haben auf eine vorgesetzte Beamtin geschossen –«
    »Sie fürchten jetzt wahrscheinlich, daß ich das bei nächster Gelegenheit auch bei Ihnen tun werde«, sagte sie bitter.
    Lynley erwiderte nichts, und Barbara wünschte, sie könnte das Gesprochene aus der Luft greifen und einfach verschwinden lassen, als hätte sie das niemals gesagt. Es entsprach ja gar nicht der Wahrheit.
    »Tut mir leid«, sagte sie mit belegter Stimme.
    »Ich weiß«, erwiderte er. »Ich weiß, daß es Ihnen leid tut. Mir tut es auch leid.«
    »Inspector Lynley?«
    Eine diskrete Stimme an der Tür. Lynley und Barbara wandten die Köpfe. Dorothea Harriman, Sekretärin ihres Superintendent, stand auf der Schwelle: perfekt frisiertes Haar, ein Nadelstreifenkostüm, das sich in einer Modezeitschrift bestens gemacht hätte. Barbara fühlte sich sofort genau so, wie sie in Dorothea Harrimans Gegenwart immer wirkte: wie ein hoffnungsloser Modemuffel.
    »Was gibt’s, Dee?« fragte Lynley.
    »Superintendent Webberly möchte Sie sprechen«, antwortete Harriman. »Sobald wie möglich. Er hat gerade einen Anruf bekommen. Es ist was los.« Und mit einem Blick und einem Nicken zu Barbara war sie schon wieder verschwunden.
    Barbara wartete. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Webberlys Aufforderung hätte nicht in einem schrecklicheren Moment kommen können.
    Es ist was los, war Harrimans Kurzfassung dafür, daß ein neuer Fall wartete. Und in der Vergangenheit war einer solchen Aufforderung Webberlys stets die Bitte Lynleys an Barbara gefolgt, ihn zu begleiten, wenn er sich die ersten Informationen über den neuen Fall holte.
    Barbara sagte nichts. Sie beobachtete Lynley und wartete. Sie wußte, daß die nächsten Augenblicke darüber Auskunft geben würden, wie er zu ihrer Zusammenarbeit stand.
    Draußen gingen die Geschäfte des Tages ihren gewohnten Gang. Stimmen schallten durch den Korridor. Telefone läuteten. Besprechungen begannen. Aber hier, in Lynleys Büro, schien es Barbara, als befänden sie und Lynley sich in einer anderen Dimension, in der über mehr als ihre berufliche Zukunft entschieden werden würde.
    Endlich stand er auf. »Ich muß zu Webberly.«
    »Soll ich ...?« fragte sie, obwohl mit seiner Aussage schon alles gesagt war. Und da sie merkte, daß sie die Frage nicht beenden konnte, weil sie im Augenblick nicht fähig war, die Antwort zu ertragen, stellte sie eine andere: »Was für einen Auftrag haben Sie für mich, Sir?«
    Während er darüber nachdachte, wandte er endlich den Blick von ihr ab und richtete ihn auf das Bild, das neben der Tür hing.
    Es zeigte einen lachenden jungen Mann mit einem Kricketschläger in der Hand und einem langen Riß in seiner von Grasflecken übersäten Hose. Barbara wußte, warum Lynley dieses Foto in seinem Büro hatte: Es sollte ihm eine tägliche Erinnerung an den fröhlichen jungen Mann sein und an das, was er – Lynley – ihm vor

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