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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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tätlichen Angriffs und versuchten Mordes, angesichts eines Dienststrafverfahrens wegen einer ganzen Reihe von Vorwürfen – von Amtsmißbrauch bis zu Gehorsamsverweigerung reichend – hätte sie anfangen sollen, ihr berufliches Leben in Ordnung zu bringen; und zwar ehe sie mit dem unabwendbaren Rausschmiß, wie jeder mit einem Funken Verstand es genannt hätte, konfrontiert wurde. Aber die Arbeit bei der Polizei war seit fünfzehn Jahren Barbaras Leben, sie konnte sich eine Zukunft ohne sie nicht vorstellen. Also hatte sie sich während ihres »Urlaubs« einfach immer wieder gesagt, jeder Tag, der vergehe, ohne die Kündigung zu bringen, mache es wahrscheinlicher, daß sie mit heiler Haut davonkommen würde. Aber das war natürlich nicht der Fall. Und wäre sie realistischer gewesen, so hätte sie gewußt, was sie zu erwarten hatte, als sie das Büro des Assistant Commissioners betrat.
    Sie hatte sich mit großer Sorgfalt gekleidet und die übliche lange Schlabberhose, die am Bund nur mit einer Kordel zusammengezogen wurde, gegen Rock und Blazer getauscht. Aber da ihr jeder Sinn für Mode fehlte, hatte sie eine unmögliche Farbe erwischt und die unglückliche Wahl noch mit einer unechten Perlenkette gekrönt, die lediglich die Aufmerksamkeit auf ihren dicken Hals zog. Immerhin waren wenigstens ihre flachen Schuhe geputzt. Leider war sie beim Aussteigen aus ihrem Mini in der Tiefgarage des Yard mit einem Bein an einer rauhen Metallkante an der Tür hängengeblieben und hatte sich eine dicke Laufmasche geholt.
    Aber tadellose Strümpfe, ein ordentliches Schmuckstück und eine schönere Farbe hätten sowieso nichts am Unvermeidlichen geändert. Sobald sie Hilliers Büro betrat, dessen vier große Fenster den Grad seines Einflusses bezeugten, hatte sie die Schrift an der Wand gesehen.
    Dennoch hatte sie nicht erwartet, daß die Maßregelung so scharf ausfallen würde. Hillier war ein Schwein – und würde immer eines bleiben –, aber Barbara war nie zuvor Zielscheibe seiner Disziplinierungsmaßnahmen gewesen. Er schien der Überzeugung, eine kräftige Rüge reiche ebensowenig aus, seinem Mißfallen an ihrem Verhalten Ausdruck zu verleihen, wie ein scharfer Brief, der Wendungen wie »eine Schande für die gesamte Metropolitan Police«, »ein Verhalten, das Tausende von Beamten in Mißkredit bringt« und »eine ungeheuerliche Insubordination, die in der Geschichte der Behörde ihresgleichen sucht«, enthielt und in Barbaras Personalakte landen würde, wo jeder Beamte, der Barbara etwas zu sagen hatte, ihn einsehen konnte. Nein. Hillier hielt es für nötig, auch seinen persönlichen Kommentar zu den Vorfällen abzugeben, die zu ihrer Suspendierung geführt hatten. Und da er genau wußte, daß er ohne Zeugen keine sprachlichen Rücksichten nehmen mußte, wenn er Barbara zusammenstauchte, schreckte er nicht vor unverschämten Beschimpfungen und Anspielungen zurück, die andere Untergebene – für die weniger auf dem Spiel stand – wahrscheinlich als eine Grenzüberschreitung betrachtet hätten. Aber Hillier war nicht dumm. Er wußte genau, daß Barbara, erleichtert und dankbar, nicht aus dem Dienst entlassen zu werden, hinnehmen würde, was er ihr um die Ohren knallte.
    Aber deswegen brauchte es ihr noch lange nicht zu gefallen, als »dämliche Ziege« und »gottverdammte Versagerin« beschimpft zu werden. Und deswegen brauchte sie noch lange nicht so zu tun, als ließe es sie kalt, daß Hillier in seiner gemeinen Tirade über ihre äußere Erscheinung, ihre sexuellen Neigungen und ihre Chancen als Frau hergezogen war.
    Ja, sie war mit den Nerven am Ende. Während sie in der Bibliothek am Fenster stand und die Häuser anstarrte, die sich zwischen New Scotland Yard und der Westminsterabtei erhoben, versuchte sie, das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken, die Schübe der Übelkeit zurückzudrängen, die sie zwangen, in heftigen Stößen zu atmen, als fürchtete sie zu ertrinken.
    Eine Zigarette hätte geholfen, aber die Bibliothek, die sie aufgesucht hatte, weil sie wußte, daß man sie hier nicht finden würde, gehörte zu den vielen Räumen im Gebäude, in denen das Rauchen nicht gestattet war. Früher einmal hätte sie sich vielleicht trotzdem eine angezündet und auf die Konsequenzen gepfiffen, aber das konnte sie sich jetzt nicht leisten.
    »Noch ein Verstoß, und Sie können Ihre Sachen packen«, hatte Hillier am Schluß gebrüllt, sein Gesicht so dunkelrot wie die Krawatte, die er zu seinem Maßanzug trug.
    Daß

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