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Undank Ist Der Väter Lohn.

Undank Ist Der Väter Lohn.

Titel: Undank Ist Der Väter Lohn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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schloß mit den Worten: »Halten Sie auf jeden Fall die Augen offen, und seien Sie vorsichtig.«
    Lynley nickte. Es war eine ungewöhnliche Situation. Er konnte sich nicht erinnern, daß einem Angehörigen eines Mordopfers je zugestanden worden war, selbst darüber zu bestimmen, wer die Untersuchung des Verbrechens leiten sollte. Wenn man Andy Maiden diese Freiheit eingeräumt hatte, ließ das auf weitreichende Verbindungen schließen, die Lynley unter Umständen bei seiner Ermittlungsarbeit in die Quere kommen konnten.
    Er konnte den Fall nicht allein übernehmen und wußte, daß Webberly das auch nicht von ihm erwartete. Aber da ihm ziemlich klar war, wen der Superintendent ihm als Partner zuweisen würde, wollte er nicht erst auf seinen Vorschlag warten. Sie war noch nicht soweit. Er selbst im übrigen auch nicht.
    »Ich würde mir gern den Dienstplan ansehen, um zu entscheiden, wen ich mitnehme«, sagte er. »Andy war immerhin mal bei der SO10, da brauchen wir jemanden mit Fingerspitzengefühl.«
    Webberly sah ihn an. Fünfzehn lange Sekunden verstrichen, ehe er sprach. »Sie wissen am besten, mit wem Sie zusammenarbeiten können, Tommy«, sagte er schließlich.
    Und Lynley nickte. »Danke, Sir. Das ist richtig.«
    Barbara Havers fuhr in die Kantine in der vierten Etage und holte sich an der Theke eine Gemüsesuppe. Aber sie konnte nicht essen. Sie hatte die ganze Zeit das Gefühl, ein Plakat mit der Aufschrift »Ausgestoßene« um den Hals hängen zu haben. Sie saß allein. Jedes grüßende Nicken vorüberkommender Kollegen schien nur schweigende Verachtung auszudrücken. Und obwohl sie versuchte, sich innerlich Mut zuzusprechen, obwohl sie sich immer wieder versicherte, daß zu diesem Zeitpunkt noch niemand von ihrer dienstlichen Rückstufung, ihrer Schande und der Auflösung ihrer Partnerschaft wissen könne, empfand sie alle Unterhaltungen um sich herum – besonders jene, die von Gelächter begleitet waren – als blanken Hohn.
    Zum Teufel mit der Suppe. Zum Teufel mit dem Yard. Sie meldete sich ab – die Krankmeldung würde denjenigen, die in ihr einen verderblichen Einfluß sahen, wahrscheinlich sowieso äußerst gelegen kommen – und fuhr in die Tiefgarage, wo ihr Mini stand. Ein Teil ihrer Selbst beschuldigte sie des Verfolgungswahns und der Dummheit. Der andere war gefangen in einer endlosen Wiederholung ihrer letzten Auseinandersetzung mit Lynley und quälenden Überlegungen, was sie hätte sagen können, wollen oder sollen, nachdem sie das Ergebnis seiner Besprechung mit Webberly erfahren hatte.
    In dieser Gemütsverfassung wurde ihr erst nach einer Weile bewußt, daß sie gar nicht auf dem Weg nach Hause war, sondern am Millbank die Themse entlangbrauste. Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen fuhr ihr kleiner Wagen die Grosvenor Road hinauf und am Battersea-Kraftwerk vorüber, während sie im Geist eine Attacke gegen Lynley ritt. Sie fühlte sich wie ein zersplitterter Spiegel, nutzlos, aber gefährlich in ihrer scharfkantigen Zerbrochenheit. Wie leicht es Lynley gefallen war, sich von ihr zu distanzieren. Und wie blauäugig von ihr, wochenlang zu glauben, er stünde auf ihrer Seite.
    Es war Lynley offensichtlich noch nicht genug gewesen, daß sie von einem Mann, den sie beide seit Jahren verachteten, auf einen rangniedrigeren Posten versetzt, gemaßregelt und gedemütigt worden war. So wie es schien, hatte er auch noch eine Gelegenheit gebraucht, sie persönlich zu strafen. Aber da lag er falsch, total falsch. Und sie brauchte sofort einen Verbündeten, der ihr recht geben und sie unterstützen würde.
    Und sie glaubte zu wissen, wo sie einen solchen Verbündeten finden konnte. Er wohnte in Chelsea, keine zwei Kilometer entfernt.
    Simon St. James war Lynleys ältester Freund. Die beiden kannten sich aus der Zeit, als sie gemeinsam in Eton gewesen waren. Heute war er als Gerichtschemiker und Gutachter tätig und wurde bei Strafprozessen ebenso regelmäßig von der Kronanwaltschaft wie von der Verteidigung zur Untermauerung ihrer Beweisführung zugezogen, wenn diese sich weniger auf die Aussagen von Augenzeugen als auf Indizien stützte. Im Gegensatz zu Lynley war er ein rational denkender Mensch, der die Fähigkeit besaß, Abstand zu nehmen und sachlich und leidenschaftslos zu beobachten, ohne sich in die jeweilige Angelegenheit verwickeln zu lassen. Er war genau der Mann, den sie jetzt brauchte. Er würde Lynleys Handeln als das erkennen, was es war.
    Über ihren hitzigen gedanklichen Debatten

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