Undank Ist Der Väter Lohn.
Barbara noch ihre Einkäufe; deshalb war es bereits nach neun, als sie nach Hause kam. Sie packte aus und verstaute ihre Besorgungen in den Schränken und dem Minikühlschrank in ihrem Bungalow. Dabei war sie in Gedanken unaufhörlich damit beschäftigt, die Geschichte durchzugehen, die Vi Nevin ihr erzählt hatte. Irgendwo in dieser Geschichte steckte die Erklärung für alles, was geschehen war: nicht nur in Derbyshire, sondern auch in London. Wenn sie die einzelnen Informationen nur richtig ordnete, würde sie sicherlich finden, was sie suchte.
Mit einem Teller indischen Lammragouts aus der Fertigerichteabteilung des Lebensmittelgeschäfts, bei der sie bald Stammkundin geworden war, nachdem sie hier in die Gegend gezogen war, setzte sie sich an ihren kleinen Eßtisch am Fenster. Sie schenkte sich ein Bier ein und legte das Heft mit ihren Aufzeichnungen neben den Kaffeebecher, aus dem sie trinken mußte, da ihr ganzer Bestand an Gläsern schmutzig im kleinen Spülbecken in der Küche stand. Sie trank einen Schluck Bier, aß eine Gabel voll Lammragout und schlug in ihrem Heft die Seite mit den Notizen ihres Gesprächs mit Vi Nevin auf.
Diese war bald eingeschlafen, nachdem sie die Schmerzspritze bekommen hatte, zuvor jedoch hatte sie noch einige Fragen beantwortet. Shelly Platt, die immer noch mit Argusaugen über ihre Freundin gewacht hatte, hatte sich über Barbaras Hartnäckigkeit empört; Vi jedoch, angenehm entspannt von dem Schmerzmittel, hatte jede Frage bereitwillig beantwortet, bis ihr die Augen zugefallen waren.
Als Barbara jetzt ihre Aufzeichnungen durchsah, kam sie zu dem Schluß, daß der logische Ausgangspunkt zur Entwicklung einer Hypothese nur der Anruf sein konnte, den Terry Cole in der Telefonzelle South Kensington abgefangen hatte. Dieses Ereignis hatte alle anderen ins Rollen gebracht. Und es warf genug Fragen auf, um die Vermutung nahezulegen, daß sie nur die Hintergründe verstehen mußte – was diesen Anruf veranlaßt und was genau sich daraus ergeben hatte – um zu den Erkenntnissen zu gelangen, die es ihr ermöglichen würden, Matthey King-Ryder als Mörder zu überführen.
Vi Nevin hatte ganz klar und ohne den geringsten Zweifel gesagt, daß Terry Cole den Anruf in South Kensington im Juni abgefangen hatte. Das genaue Datum hatte sie nicht angeben können, aber sie wußte noch, daß es in den ersten Junitagen gewesen war, weil sie Anfang des Monats einen neuen Posten ihrer Telefonzellenkarten abgeholt und sie noch am selben Tag Terry zur Verteilung übergeben hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte er ihr von dem merkwürdigen Anruf erzählt.
Es war nicht vielleicht Anfang Juli gewesen? fragte Barbara. Oder Anfang August? Auch nicht September?
Nein, es sei im Juni gewesen, beharrte Vi Nevin. Sie erinnerte sich deshalb so genau, weil sie zu dieser Zeit schon zusammen in Fulham gewohnt hatten – sie und Nikki. Und da Nikki zu der Zeit bereits nach Derbyshire gefahren war, hatte Terry sie gefragt, ob er ihre – Nikkis – Karten überhaupt in den Telefonzellen verteilen solle, da sie doch gar nicht erreichbar war. Vi Nevin selbst war es wichtig gewesen, daß Terry ihre Karten so bald wie möglich verteilte, weil sie ihren Kundenkreis vergrößern wollte, und sie hatten dem Jungen gesagt, er solle Nikkis Karten bis zur Rückkehr der Freundin im Herbst zurückhalten.
Aber wieso Terry dann so lange gebraucht habe, um mit den gefundenen Noten zu Bowers zu gehen, wollte Barbara wissen.
Erstens, erklärte Vi Nevin, weil sie Nikki nicht gleich von Terrys Fund erzählt hatte. Und zweitens, weil es dann, nachdem Nikki die Geschichte gehört hatte, und sie zu dritt den Plan ausgeheckt hatten, die Noten irgendwie zu Geld zu machen, eine Weile gedauert hatte, ehe Nikki das Auktionshaus ausfindig gemacht hatte, das am besten geeignet war, einen Gegenstand wie die Noten zu verkaufen.
»Wir wollten nicht einen Haufen Provision zahlen«, murmelte sie schläfrig. »Nikki dachte zuerst an eine Auktion auf dem Land. Sie hat alle möglichen Leute angerufen und sich erkundigt.«
»Und so kam sie auf Bowers?«
»Genau.« Vi Nevin hatte sich auf die Seite gedreht. Shelly Platt hatte die Bettdecke hochgezogen und sie sorgsam um ihre Freundin herum festgesteckt.
Und jetzt saß Barbara in ihrem Häuschen in Chalk Farm beim Essen und dachte immer noch über diesen Anruf nach. Ganz gleich, von welcher Seite sie die Sache betrachtete, sie gelangte stets zu derselben Schlußfolgerung. Der Anruf mußte für
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