Undank Ist Der Väter Lohn.
Vorwand bei der King-Ryder- Produktionsgesellschaft. Wenn nämlich King-Ryder Wind davon bekam, daß sie ihm auf die Schliche gekommen waren, würde er Pfeil und Bogen in Windeseile mit Betonklötzen beschweren und in der Themse versenken.
Aber es würde eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, ein Foto zu besorgen, weil sie das Original brauchten – scharf und deutlich – und nicht eine an das Krankenhaus gefaxte Kopie. Und wo sollten sie überhaupt an einem Sonntag abend um – hier sah Barbara auf ihre Uhr – um halb acht ein Foto von Matthew King-Ryder auftreiben? Aussichtslos. Nur Glück konnte hier noch helfen. Barbara holte tief Atem und fragte aufs Geratewohl: »Kennen Sie zufällig einen Mann namens Matthew King-Ryder?«
Und Vi Nevin sagte völlig unerwartet: »Ja.«
Lynley hielt die Jacke an ihrem Satinfutter. Zweifellos war sie von einem Dutzend Leute berührt worden, seit sie am Dienstag abend dem toten Terry Cole ausgezogen worden war. Aber auch der Mörder hatte sie in Händen gehabt, und wenn er nicht gewußt hatte, daß man von Leder beinahe so deutliche Fingerabdrücke abnehmen könnt, wie von Glas oder lackiertem Holz, bestand durchaus die Chance, daß er ungewollt seine Unterschrift auf der Jacke zurückgelassen hatte.
Nachdem der Wirt des Black Angel die Bedeutung von Lynleys Bitte begriffen hatte, trommelte er alle Angestellten zu einer informellen Vernehmung in der Bar zusammen. In dem beinahe ängstlichen Bemühen, sich hilfsbereit zu zeigen, wie man das im allgemeinen bei Leuten erlebte, die sich plötzlich ohne ihr Zutun in schwerwiegende polizeiliche Ermittlungen verwickelt sahen, bot er dem Inspector Tee, Kaffee oder irgendeine andere Erfrischung seiner Wahl an. Lynley lehnte alles ab. Das einzige, was er brauche, sagte er, seien Informationen.
Aber das Vorzeigen der Jacke bei Wirt und Angestellten brachte ihm nichts. Für sie sah eine Jacke wie die andere aus. Keiner von ihnen konnte sagen, wie oder wann das Kleidungsstück, das Lynley in den Händen hielt, ins Hotel gekommen war. Sie zeigten sich zwar gebührend erschrocken und entsetzt, als er sie auf die Mengen geronnenen Bluts im Futter und das Loch im Rücken aufmerksam machte, und setzten angemessen bekümmerte Mienen auf, als er die beiden kürzlich im Calder Moor verübten Morde ansprach, aber keiner von ihnen zuckte auch nur mit der Wimper bei dem Hinweis, daß sich möglicherweise ein Mörder in ihrer Mitte befunden hatte.
»Ich nehme an, irgend jemand hat das Ding hier vergessen«, meinte die Barbedienung.
»Manchmal hängen Mäntel den ganzen Winter über an dem Garderobenständer«, fügte eines der Zimmermädchen hinzu.
»Ich achte schon gar nicht mehr drauf.«
»Aber das ist ja genau der springende Punkt«, sagte Lynley.
»Wir haben nicht Winter. Und es hat in den letzten Wochen, abgesehen von heute, kein einziges Mal so stark geregnet, daß man einen Mantel oder eine Jacke gebraucht hätte.«
»Und worauf wollen Sie jetzt hinaus?« fragte der Wirt.
»Wie ist es möglich, daß keinem von Ihnen die Lederjacke aufgefallen ist, obwohl sie ganz allein am Garderobenständer hing und kein Mensch mehr hier war?«
Die zehn Angestellten, die sich in der Bar versammelt hatten, zeigten eine gewisse Unruhe und machten verlegene oder bedauernde Gesichter. Aber keiner konnte irgend etwas über die Jacke sagen oder darüber, wie sie an den Garderobenständer im Vestibül gekommen war. Zur Arbeit gingen sie durch die Hintertür ins Haus, nicht durch den Vordereingang, erklärten sie ihm. Und auf demselben Weg verließen sie abends das Haus wieder. Sie hätten also den Garderobenständer im Verlauf eines normalen Arbeitstags gar nicht zu Gesicht bekommen. Außerdem blieben häufig Dinge im Black Angel liegen: Schirme, Spazierstöcke, Regenzeug, Rucksäcke, Wanderkarten. Es dauerte meistens eine Weile, bis die vergessenen Gegenstände auffielen, und dann wanderten sie ins Fundbüro, ohne daß jemand sich viel Gedanken über sie machte.
Lynley beschloß, sein Glück auf dem direkten Weg zu versuchen. Ob ihnen die Familie Britton bekannt sei, fragte er. Ob sie Julian Britton vom Sehen kannten?
Der Wirt sprach für sich und die anderen. »Ja, wir alle hier kennen die Brittons.«
»Hat einer von Ihnen am Dienstag abend Julian Britton bemerkt?«
Niemand.
Lynley ließ sie gehen. Er bat um eine Tüte für die Jacke, und während man ihm eine holte, ging er zum Fenster, schaute in den Regen hinaus und dachte über Tideswell, das
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