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Undead 01 - Weiblich, ledig, untot

Undead 01 - Weiblich, ledig, untot

Titel: Undead 01 - Weiblich, ledig, untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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hätte ich beinahe gefragt, bevor ich sah, dass sie es war. Natürlich. Der Schock und die Trauer hatten sie um zwanzig Jahre altern lassen. Sie war mit mir schwanger geworden einen Monat nach dem Highschool-Abschluss, und man hatte uns oft für Schwestern gehalten. Heute aber nicht.
    Mama erstarrte. Sie versuchte etwas zu sagen, aber ihr Mund zitterte so stark, das sie nicht sprechen konnte. Sie umklammerte die Lehnen ihres Schaukelstuhls so stark, dass ich ihre Knöchel knacken hörte. Ich stürzte durch den Raum und warf mich ihr zu Füßen. Sie sah so fürchterlich aus, dass ich Angst bekam. »Mama, ich bin es. Es ist alles in Ordnung! Mir geht es gut!«
    »Dies ist mein schlimmster Albtraum«, sagte sie zu niemand Bestimmtem. Ich fühlte, wie ihre Hand sanft meinen Kopf streichelte. »Ja, sicher der schlimmste.«
    »Das ist kein Traum, Mama.« Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie gegen meine Wange. »Siehst du? Ich bin es wirklich.« Ich kniff sie durch den Rock hindurch ins Bein, so fest, dass sie kurz aufschrie. »Siehst du?«
    »Du schlimmes Kind, ich werde einen blauen Fleck bekommen, so groß wie eine Pflaume.« Ich fühlte, wie ihre Tränen auf mein Gesicht tropften. »Du furchtbares, furchtbares Kind. So eine Last. So eine . . . « Sie weinte leise vor 65

    sich hin und konnte die geliebte, gewohnte Tirade nicht beenden.
    Sehr lange hielten wir uns in den Armen.
    »Bekomm jetzt keinen Schreck«, sagte ich etwa eine Stunde später, »aber ich bin ein Vampir.«
    »Wie Jessica sagen würde: Das ist mir scheißegal. Du bewegst dich mit Lichtgeschwindigkeit.«
    »Was?«
    Mama warf frisch geriebenen Parmesan in das Risotto und rührte. »Als du zu mir gerannt kamst. Ich habe einmal geblinzelt und schon lagst du zu meinen Füßen. Ich konnte dir nicht mit den Augen folgen. Wie ein Film, den man im Schnelllauf betrachtet.«
    »Und das ist noch längst nicht alles. Ich habe den Ge-ruchssinn eines Bluthundes. Dein Parfum konnte ich sofort riechen, als ich das Haus betrat. Und du badest ja nicht gerade darin.« Ich sagte ihr nicht, dass ich auch Gefühle riechen konnte. Ihre Erleichterung und ihre Freude rochen wie Teerosen.
    »Interessant. Entweder hast du an einem geheimen wis-senschaftlichen Experiment der Regierung teilgenommen und nie davon erzählt . . . «
    »Nein, aber die Idee ist gut. Die muss ich mir merken.«
    ». . . oder es gibt eine übernatürliche Erklärung.«
    Ich blinzelte. Mama war immer schon sehr praktisch veranlagt gewesen, aber sie stellte sich mit erstaunlicher Gelassenheit auf meinen neuen Status als Untote ein. Sie musste meinen Gesichtsausdruck richtig gedeutet haben, denn sie sagte: »Liebling, du bist tot. Ich war im Leichenschauhaus. Ich habe dich gesehen. Und jetzt bist du zurück.
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    Interessiert es mich, warum? Nicht im Entferntesten. Meine Gebete wurden erhört. Nicht, dass ich tatsächlich gebetet hätte. Die letzten Tage habe ich mit Gott gehadert.«
    Ich hörte still zu und stellte mir vor, wie sehr sie gelitten haben musste. Der lange, steril riechende Flur des Leichenschauhauses . . . steril, aber doch mit einer deutlichen Note von Tod. Die grellen Neonlampen. Ein professionell mitleidiger Arzt. Dann die Identifizierung. »Ja, das ist meine Tochter. Oder was von ihr übrig ist.«
    »Fast jede Kultur hat ihre Legenden über Vampire«, fuhr meine Mutter fort. »Ich habe oft gedacht, dass in diesen Geschichten doch ein Stückchen Wahrheit stecken muss.
    Warum gäbe es sonst so viele?«
    »Wenn es danach ginge«, sagte ich, »müsste der Osterha-se diesen Monat zu Besuch kommen.«
    »Ein Mädchen mit Sinn für Humor. Risotto?«
    »Bitte.« Mama hatte mit dem Weinen aufgehört, ihr Gesicht gewaschen, den Anzug ausgezogen, den sie zu meiner Beerdigung getragen hatte, und mein Lieblingsgericht gekocht: Schweinelendchen mit Risotto. Wie schon Jessica zuvor berührte sie mich immer wieder. Es machte mir nichts aus! »Ich habe einen Bärenhunger, und es riecht köstlich!«
    Ich schlang mein Essen in dreißig Sekunden herunter.
    Dann verbrachte ich fünf Minuten im Badezimmer, wo ich alles wieder erbrach. Mama hielt mein Haar zurück und reichte mir ein feuchtes Handtuch, als ich schließlich mut-los auf den Fliesen zusammensank. Ich begann zu weinen, mein seltsames Weinen ohne Tränen, das jetzt meine Spe-zialität war. »Ich vertrage kein normales Essen mehr! Kein Risotto, Krabbencocktail, Hummer, Prime-Rib-Steak . . . «
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    »Krebs, Aids, Tod durch Überfall,

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