Undead 01 - Weiblich, ledig, untot
vorgetäuscht.«
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Während unseres Gesprächs hatte er mich die ganze Zeit über angegafft, und als ich jetzt die Tennisschuhe von meinen Füßen streifte, kam er durch den Raum auf mich zu. Zu meiner größten Überraschung zog er mich in seine Arme wie der Held in einem Liebesroman.
»Äh . . . loslassen . . . «
»Gott«, sagte er und sah mir direkt in die Augen.
Das irritierte mich etwas, weil wir beide gleich groß waren. Seine Augen waren hellblau, mit kleinen goldenen Sprenkeln, seine Pupillen riesig, und ich musste unwillkürlich hineinstarren – mit offenem Mund. »Sie sind so schön.«
Ich war starr vor Erstaunen. Nick hatte mich bereits einige Male berührt – vor allem, wenn wir uns die Hand gegeben hatten, und einmal waren unsere Finger aneinan-der vorbeigestreift –, aber er war immer kühl, freundlich und nett gewesen. Der perfekte Gentleman. Ich hatte null Interesse gespürt. Deshalb war ich ihm auch nicht nach-gelaufen, und deshalb waren Jessicas Bemerkungen und Andeutungen auch so nervig gewesen. Aber jetzt . . .
»Gott«, sagte er noch einmal und küsste mich – oder versuchte vielmehr, mich zu verschlingen. Seine Zunge sprang in meinen Mund – zumindest fühlte es sich so an –, und plötzlich sog ich seinen Atem ein. Überraschend, aber nicht unangenehm. Dann: »Au!« Er sprang zurück und berührte seine Unterlippe, auf der ein kleiner Tropfen Blut zu sehen war. »Du hast mich gebissen.«
»Ssuldigung. Du hasst mich erssreckt. Ich meine, über-rasst. Oh, Sseisse.« Mein Blick wurde immer wieder von dem kleinen dunkelroten Tropfen angezogen. Er schimmer-72
te. Er winkte mir zu. Er bettelte darum, gekostet zu werden.
»Nick, du ssolltesst gehen. Sofort.«
»Aber du bist so wunderschön«, flüsterte er und küss-te mich noch einmal, sanfter diesmal. Ich schmeckte sein Blut – und das war’s. Wenn ich bis dahin gedacht hatte, ich wäre lediglich durstig, so überkam mich jetzt ein überwältigendes Verlangen, wie ich es nie gekannt hatte.
Ich küsste ihn meinerseits und saugte an seiner köstlich geschwollenen Unterlippe. Hmmm, damit ich dich besser fressen kann . . . Dann riss er an meinen Kleidern wie ein rattiger Teenager. Ich hörte ein metallisches Klirren, als sein Halfter auf den Boden fiel, und betete, dass seine Waffe gesichert war, die Münzen klimperten in seiner Tasche, als sich seine Hose plötzlich als kleines Polyesterhäufchen um seine Füße schmiegte, und schließlich vernahm ich das Rei-
ßen von Stoff. Jetzt würde ich mir wohl ein neues T-Shirt kaufen müssen. Keine Ahnung, was mit meinen Leggings passiert war. Er hätte sie auffressen können, ich hätte es nicht gemerkt.
Ich riss meinen Mund von seinem los, drückte seinen Kopf zur Seite und biss ihm in den Hals. Ich war nicht im Entferntesten über mich selbst entsetzt. Kein Zögern, kein mädchenhaftes Schaudern bei dem Gedanken, sein Blut zu trinken, als wäre es Kirschsaft. Ich konnte nicht warten. Ich würde nicht warten.
Ich war darauf gefasst, richtig zubeißen zu müssen, doch meine Zähne durchstießen seine Haut wie ein Laserstrahl.
Dann strömte sein Blut in meinen Mund. Meine Knie wurden weich, während mein Körper zum ersten Mal seit dem Unfall wirklich lebendig wurde. Alles wurde plötzlich laut 73
und hell und klar. Nicks Herzschlag donnerte in meinen Ohren, und das Dämmerlicht des Raumes blendete. Ich konnte seine Lust riechen wie knusprige Zedernspäne.
Nicks Körper hatte sich in meiner teuflischen Umarmung versteift, aber die feste, längliche Form, die gegen meinen Bauch drückte, zeigte an, dass er keine Einwände zu haben schien. Gott sei Dank, denn ich konnte nicht aufhören. Er nestelte an seiner engen Unterhose, konnte sie aber nicht herunterziehen. Schließlich wand er sich und drückte sich zitternd gegen mich.
Um ehrlich zu sein, ich kann meine Sexualpartner an einer Hand abzählen. An drei Fingern sogar. Ich war schließ-
lich keine Schlampe. Und jedes Mal, wie bei den meisten Frauen, hatte es Zeit und Fingerfertigkeit gebraucht, dass ich kam. Ganz abgesehen davon, dass ich dabei hatte nackt sein müssen! Es ist doch ein Mythos, dass man Frauen nur dreimal streicheln muss, und schon heben sie ab zu einem fantastischen Orgasmus. Mir tun Frauen leid, die so einen Unsinn glauben und meinen, mit ihnen stimme etwas nicht, wenn sie mehr als einen Klaps und ein bisschen Kitzeln benötigen.
Aber jetzt, als Nick stöhnend und bebend an mir lehnte und sein Blut in meinem
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