Undead 03 - Happy Hour in der Unterwelt
Blick zu. »Aber ich bin sicher, es ist noch nicht alles verloren. Aber das wird ein hartes Stück Arbeit.«
Diese geballte Ladung gesunden Menschenverstandes musste ich erst einmal verdauen. »Ich weiß, dass es nun an 174
mir liegt. Das habe ich verstanden. Aber ich wusste einfach nicht, wie ich das anstellen sollte. Und ich dachte, ehrlich gesagt, dass ich wichtigere Probleme hätte. Also habe ich es irgendwie verdrängt, bis es zu spät war.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich hatte angenommen, dass er immer da sein würde, um sich . . . na ja . . . anschreien zu lassen und für selbstverständlich genommen zu werden. Und natürlich lag ich falsch damit. Niemand tut sich das auf ewig an.«
»Jetzt lass Sinclair mal für einen Moment beiseite. Oder vielleicht doch lieber nicht, denn eigentlich weißt du ja schon, was du zu tun hast. Betsy, du kannst das in Ordnung bringen.«
»Ich glaube nicht, dass es so einfach ist, wie du . . . «
»Ich behaupte nicht, dass es einfach ist, ich sage, du kannst es in Ordnung bringen. Und selbst wenn nicht, kannst du nicht für immer nackt, verheult und voller Selbstmitleid in deinem Kleiderschrank liegen. Ich bitte dich! Im Schrank heulen? Süße, du bist die Königin der Vampire! Bring deinen großen, weißen Hintern hoch, zieh dich an und zeig’s ihnen!
Selbst als du noch gelebt hast, hättest du dir das nicht einfach so gefallen lassen. Also los, an die Arbeit.«
»Du hast recht! Außer was meinen Hintern betrifft.« Schon sprang ich auf die Füße, die Hände zu Fäusten geballt. Mein Zorn würde fürchterlich sein (und ich nackt)! Jessica hatte recht, ich würde es ihnen schon zeigen! »Genauso ist es. Ich habe mir ein Bein für alle ausgerissen und wofür? Jetzt ist Schluss damit!«
»Genau!«
»Jetzt brechen andere Zeiten an, das sage ich dir!«
»Genau! So will ich dich sehen!«
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Ich sah auf meine Uhr, das Einzige, was ich zurzeit am Körper trug (den Eyeliner nicht mitgezählt). »Und ich sage dir auch, was wir als Erstes machen werden.«
»Abgesehen davon, dass du dir einen Slip anziehst?«
»Ja, abgesehen davon.«
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»Willst du das wirklich tun?«
»Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten.«
»Aber es ist nicht wirklich schuld an deinen Problemen.
Nicht an einem von ihnen.«
»Nein«, stimmte ich zu, »aber es ist gefährlich. Es liegt einfach so in der Bibliothek herum. Jeder Dahergelaufene könnte es nehmen und darin lesen.«
»Es ist unersetzlich.«
»Das waren die Nazis auch. Außerdem habe ich meiner Mutter versprochen, es nicht zu verbrennen.« Wir standen auf einer der großen Brücken, die die Vorstädte mit Minneapolis verbanden, und schrien uns an, um den Verkehrslärm zu übertönen. Es war sehr kühl – vielleicht vier Grad – aber ich war so zappelig, dass ich es kaum bemerkte. »Also wird es bei den Fischen schlafen.«
Ich gab ihm einen Stoß und das Buch der Toten stürzte in die Tiefe – sehr, sehr tief, denn es war eine hohe Brücke – und schlug dann mit einem Klatschen auf dem trüben Wasser auf.
»Hu«, sagte Jessica, nachdem wir einen langen Moment zugesehen hatten, wie es ohne eine einzige Luftblase unterging. »Ich glaube, ich hatte erwartet, dass es auf dem Wasser schwimmen würde . . . wie auf einem Bett des Bösen, oder so.«
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»Es ist aus Menschenhaut, nicht Goretex.« Ich rieb meine kalten Hände. »Mensch, das ist vielleicht eine Erleichterung.
Das hätte ich schon vor Monaten machen sollen.«
»Jetzt ist es getan.« Jessica zog den Reißverschluss ihres Mantels höher. »Und was jetzt?«
»Ich weiß nicht recht. Aber es wird etwas sein, um das ich mich schon lange hätte kümmern sollen.«
»Oh. Gut.«
»Und geh nicht in den Keller.«
»Ich denke nicht, dass George mir etwas tun würde. Nicht mit vollem Magen jedenfalls.«
»Trotzdem.«
»Mach dir keine Sorgen. Eine Vampirattacke die Woche reicht mir.«
Ich hatte noch nicht wirklich die Zeit gehabt, mein Vorha-ben, mein Leben zu ändern, in die Tat umzusetzen. Erst hatte ich stundenlang mit Jessica geredet, dann hatte ich ein unbezahlbares Artefakt zerstört. Das alles hatte einen Großteil der Nacht in Anspruch genommen. Aber nachdem ich den nächsten Tag durchgeschlafen hatte, stand ich um sechs Uhr tatendurstig auf und konnte es gar nicht erwarten, ein paar passiv-aggressiven Vampiren in den Hintern zu treten. Erster Halt: das Scratch.
Auf dem Weg zu meinem Wagen überlegte ich, ob ich Eric suchen und etwas Peinliches tun sollte,
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