Undead 09 - Zum Teufel mit Vampiren
mal: Natürlich hab ich es kommen sehen.«
»Sie wird uns doch hier nicht sitzen lassen«, sagte Laura. Für einen verrückten Halb-Engel mit einem mörderischen Temperament und einem Ekel vor Zitronenkuchen klang sie ganz vernünftig. »Immerhin braucht sie mich, oder? Sie will, dass ich hier die Herrschaft übernehme. Ist das wahr?«
»Welcher Teil davon?«
»Dass ich sehr lange leben werde? Zehntausende Jahre?«
»Das weiß ich nicht. Aber in diesem Zusammenhang fällt mir das Buch der Toten ein.«
»In dem prophezeit wird, dass du fünftausend Jahre herrschen wirst.«
»Genau das.«
Wir starrten einander an, in der Hölle, umgeben von den Verdammten. Wir waren Schwestern, die keine Kontrolle über die Ereignisse hatten und manchmal nicht einmal über uns selbst.
»Sie braucht mich«, äußerte Laura nach einer Weile vorsichtig. »Deshalb muss sie nett sein. Zu uns beiden.«
»Das stimmt«, gab ich zu. Und es war vermutlich der Grund dafür gewesen, warum die Fürstin der Lügen heute soooo entgegenkommend gewesen war. »In sehr kurzer Zeit ist furchtbar viel geschehen.«
»War ja nicht anders zu erwarten, oder?« Laura sah entrückt aus … Sie versuchte, in die Höllenkammern hineinzulauschen, ohne dass die armen Seelen darin etwas davon merkten. »Ich kann dir nicht genug dafür danken, dass du mich begleitet hast.«
»Schieb es auf einen Gehirnschaden. Und zwar anhaltenden Schaden, denn ich glaube, ich habe einen regelrechten Schock erlitten.«
»Willst du dich hinlegen? Ich kann einen der Verdammten um eine Liege bitten. Oder vielleicht um eine Decke? Äh, hallo? Hallo – Sir? Nein, nicht Sie, Sir, sondern der Herr in der Kammer nebenan, der aussieht, als hätte er sich unfreiwillig einer Zahnbehandlung unterzogen … «
»Irgendetwas ist hier ganz und gar nicht in Ordnung«, verkündete ich.
Laura stellte sich dicht neben mich. Ihre Hände flatterten hilflos. »Fühlst du dich schwach?«
»Yep. Hab wirklich einen Schock. Denn ich schaffe es nicht, das alles hier zu begreifen.«
»Das ist doch okay, Betsy.« Der Antichrist tätschelte meinen Unterarm. »Es fällt uns beiden schwer.«
»Dir zum Beispiel, Laura, sind gewaltige Flügel gewachsen. Ich schätze, das hätte mir vielleicht schon früher auffallen sollen. Ja, absolut.«
»Was?«
»Ja. Hätte mir wirklich früher auffallen sollen. Seltsam. Heute ist ein sehr seltsamer Tag.«
29
»Ich habe was ?«
»Flügel.« Laura hatte es also auch noch nicht gemerkt. Ich kam mir nicht mehr ganz so dämlich vor.
»Wo denn?« Sie drehte sich hin und her, doch das hatte die gleiche Wirkung, wie wenn ein Rucksackträger versucht, seinen Rucksack zu sehen: Mit jeder neuen Drehung und Wendung gerät das Ding außer Sicht. Alles, was dabei herauskam, war, dass ich …
»Ffffft!«
… eine Ladung Federn ins Gesicht bekam.
Ich bedeutete Laura, ein paar Schritte Abstand zu nehmen, während ich Schwungfedern ausspuckte. (Wer hätte gedacht, dass mein Referat über Schnee- und Blauflügelgänse in der achten Klasse praktische Anwendung in der Hölle finden würde?)
»Sind sie wirklich da? Ich kann’s nicht glauben! Wie sehen sie aus? Ich spüre gar nichts!« Flapp. Flapp !
Ich versuchte, den Flügelschlägen auszuweichen. »Hör auf, hör auf, ich seh ja nur noch Primär- und Sekundärgefieder!«
»Du kennst dich mit Vögeln aus?«
»Achte Klasse. Mach dir nichts draus.« Mir fiel der beste Weihnachtsfilm aller Zeiten ein, Die Geister, die ich rief , in dem Carol Kane, der furchteinflößende Geist der gegenwärtigen Weihnacht, wie eine wilde Hummel herumsaust und Bill Murray immer wieder mit ihren Flügeln ins Gesicht schlägt. Das hier war genauso, obwohl wir nicht Dezember hatten, sondern November. November in der Hölle. »Du willst sie sehen? Dann fahr sie aus. Du weißt schon: Breite sie aus.«
Ein ganz schön dämlicher Vorschlag, denn ich stand genau im Weg. Deswegen traf mich ungefähr eine halbe Sekunde vor der Erkenntnis, dass Laura eine Flügelspannweite von knapp zwei Meter zwanzig besaß, ihr linker Flügel mit voller Wucht.
Und diese Dinger waren stark. Stellen Sie sich einen Sperling vor, ein robustes, kräftiges Vieh, das den ganzen Tag unterwegs ist. Ein Sperling mit langem, blondem Haar und in Jeans.
»Oh mein Gott! Betsy!«
»Könntest du mir bitte aufhelfen?«, stöhnte ich vom Boden. Vom Höllenteppich. Aus den Eingeweiden der Grube. Was auch immer.
Sie beeilte sich und half mir wieder auf die Beine. Ihre Schwingen
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