Undead 09 - Zum Teufel mit Vampiren
waren nicht schneeweiß wie auf Gemälden von Engeln, sondern eher wie Sperlingsflügel gefärbt: schlicht und schön mit gesprenkeltem Braun. Und sie waren stark und praktisch.
»Tut mir leid, dass ich so plötzlich verschwunden bin. Ich muss zugeben, dass ich zu Mikromanagement neige. Oh, sehr schön, ihr habt schon etwas herausgefunden.«
»Mutter! Hier in deiner Welt habe ich Flügel. Flügel!«
»Natürlich hast du Flügel«, bestätigte Satan und schaute Laura mit mütterlichem Stolz an. »Deine Mutter ist schließlich ein Engel.«
»Es ist furchtbar gruselig, wenn du von dir in der dritten Person sprichst.«
»Pssst. Satan wünscht derzeit von der Vampirkönigin keinen Laut zu hören.«
»Gruselig!«, rief ich.
Aber der Teufel beachtete mich gar nicht. Sie hatte nur Augen für Laura, die ärgerlicherweise mit prächtigen Flügeln, die aus ihrem Rücken sprossen, noch hinreißender aussah. »Wie ich gerade sagte, bevor die da anfing zu schwatzen…«
»Du bist eine Nervensäge!«, rief ich, während ich gleichzeitig die Flügel meiner Schwester im Auge behielt.
»… bist du ein Halbengel. Meine Abstammung hat sich nicht geändert, als ich den Himmel verließ.«
»Als du rausgeworfen wurdest, meinst du.«
Zu meiner Überraschung entfernten sich meine Füße einen knappen halben Meter vom Boden. Satan hatte die anderthalb Meter zu mir in einem Wimpernschlag zurückgelegt, mich am Kragen gepackt und stemmte mich hoch. »Ich. Wurde nicht. Rausgeworfen. Ich bin. Selbst gegangen.«
»Ich bin empfindlich! Könntest du mich bitte wieder loslassen? Ich habe dieses Shirt erst zweimal getragen; es ist von Eddie Bauer und eigentlich unzerstörbar.« Mithin eine gute Wahl für einen Trip durch die Stadt der Dämonen. Oh, Eddie Bauer, nur du verstehst, welche Klamotten so ein Urlaub erfordert!
»Lass sie los!«
Super. Zwei geflügelte Missgeburten, die um Himmel, Hölle und mein Sweatshirt stritten. »Alles in Ordnung, Laura.« Ich versuchte zu lächeln, um dem Antichristen zu zeigen, dass es nicht so schlimm war, vom Teufel in die Luft gestemmt und gewürgt zu werden. Immerhin hatte ich schon Dates überstanden, die schlimmer waren! »Ich muss ja nicht unbedingt atmen. Oder mich daran stören, dass meine Füße in der Luft baumeln. Aber wenn ich meinen Kehlkopf wieder wachsen lassen muss, dann wird es dir noch leidtun!«
»Das wär’s mir wert«, knurrte Satan und ließ mich wieder hinab.
Sogleich beugte ich mich vor und überprüfte meine Fußbekleidung. »Du hast ja sooo ein Glück, dass keine Schleifspuren an meinen Schuhen sind, du blöder gefallener Engel!«
»Ich zittere, wenn ich an die Konsequenzen denke«, sagte Satan und gähnte.
»Werden sie auch funktionieren? Ich meine: Kann ich damit fliegen?«
»Was? Bist du immer noch mit diesen Flügeln beschäftigt? Nachdem ich wieder mal einen heimtückischen Anschlag deiner Mutter überstehen musste? Meinem Eddie-Bauer-Shirt geht es gut, danke der Nachfrage.«
Satans Flügel erschienen ebenso aus dem Nichts wie Lauras. Die bösartige Kuh wartete, bis ich aus Lauras Schusslinie heraus war und in ihre hineingeriet, bevor sie uns mit ihrer verdammten Flügelspannweite beglückte.
»Ich hab die Nase voll davon« – ich brach ab und spuckte schon wieder Federn – »ständig Federn ins Gesicht zu kriegen! Und ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen solchen Satz sagen müsste! Die Hölle ist einfach zum Kotzen, mehr hat sie nicht zu bieten.«
»Deine sind vollkommen schwarz, wie Rabenschwingen«, sagte Laura bewundernd. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und streichelte einen Flügel ihrer Mutter.
»Oder so richtig dreckig. Als ob du viel Zeit damit verbracht hättest, in Kaminen zu lauern. Oder in den Schornsteinen der Koch-Raffinerie.«
Die beiden Pseudo-Engel ignorierten mich. Was allmählich zur Gewohnheit wurde, wie ich leider feststellen musste.
»Natürlich funktionieren sie«, erklärte Satan. »Aber du musst es natürlich erst erlernen. Außerdem irrst du dich, wenn du annimmst, dass sie eben erst ›erschienen‹ sind. Deine Flügel sind immer schon ein Teil von dir gewesen, genau wie deine Höllenfeuerwaffen. Doch sichtbar werden sie nur in dieser Dimension.«
»Das heißt, wenn ich zu Hause bin – in St. Paul, meine ich – sind sie auch da, aber niemand kann sie sehen.«
»Ja. Sie sind zu viel für das menschliche Auge, es kann so etwas nicht verarbeiten. Ich weiß nicht genau, ob ich dir das erklären kann, aber ich werde es
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