Undercover
Vorschlag, es mit Luminol zu versuchen, machte sich in einer Hinsicht bezahlt - eine latente Fingerspur fluoreszierte auf der Verpackung der Einwegkamera, die er in dem viktorianischen Haus fand. Das bedeutet, wer auch immer die Pappe anfasste, hatte Kupferspuren an mindestens einem Finger. Kupfer und Blut fluoreszieren, wenn sie mit Luminol in Berührung kommen, ein bekanntes Problem am Tatort, das in diesem Fall zu Wins Vorteil war. Leider stimmt der Kupferfingerabdruck mit keinem in der Datenbank des Automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystems AFIS überein. Und andere Spuren? Die auf der Weinflasche gehörten Stump und Win, und Farouk hinterließ mehrere Teilabdrücke auf dem von ihm berührten Briefumschlag. Die Limonadendose und der Zettel von Raggedy Ann tragen die Abdrücke einer Person, die ebenfalls nicht in AFIS registriert ist. Stump hat gelogen.
Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, darüber nachzudenken, sagt Win sich, als er erneut auf Dr. Hunters Klingel drückt.
Wie konnte sie das tun? Sie lag in seinen Armen, in seinem Bett, blieb bis vier Uhr morgens. Win hat mit einer Lüge geschlafen.
»Wer ist da?«
Win stellt sich als Angehöriger der State Police vor.
»Kommen Sie ans Fenster und beweisen Sie das«, sagt eine kräftige Stimme hinter der Tür.
Win wendet sich zur Seite und hält seinen Ausweis vor die Glasscheibe. Ein alter Mann in einem dreirädrigen Rollstuhl späht auf die Papiere, dann auf Win, scheint zufrieden, fährt zurück zur Tür und lässt den Besucher hinein.
»Auch wenn das hier sicher ist, ich habe einfach schon zu viel erlebt. Würde nicht mal einer Pfadfinderin trauen«, sagt Dr. Hunter. Er fährt in ein Wohnzimmer aus wurmstichiger Kastanie, das einen Blick auf den Fluss bietet. Auf einem Schreibtisch stehen ein Computer und ein Router, dazu aufgetürmte Bücher und Papiere.
Gegenüber dem Kamin bleibt Dr. Hunter stehen, und Win hockt sich auf den Vorsprung, sieht sich Fotos an, viele zeigen eine jüngere Version von Dr. Hunter mit einer hübschen Frau, die Win für seine verstorbene Gattin hält. Viele glückliche Momente mit Verwandten, Freunden, ein gerahmter Zeitungsausschnitt mit einem Schwarz-Weiß-Foto von Dr. Hunter an einem Tatort, umgeben von Polizisten.
»Ich habe so ein Gefühl, dass ich weiß, warum Sie hier sind«, sagt Dr. Hunter. »Dieser alte Mordfall, der plötzlich in den Nachrichten ist. Janie Brolin. Muss sagen, am Anfang konnte ich es nicht glauben. Warum gerade jetzt? Aber unsere freundliche hiesige Staatsanwältin ist natürlich für ihre, sagen wir mal, Überraschungen bekannt.«
»Haben Sie damals eventuell in Erwägung gezogen, dass es der Boston Strangler gewesen sein könnte?«
»Völliger Blödsinn. Vergewaltigte Frauen, mit ihrer eigenen Kleidung erdrosselt, hergerichtete Leichen und so weiter? Es ist das eine, einen Schal, eine Strumpfhose oder eine Krawatte zu verwenden und eine Schlaufe daraus zu knüpfen, aber ganz etwas anderes, den BH des Opfers zu nehmen. Das geschieht meiner Erfahrung nach meistens dann, wenn der Täter die Frau vergewaltigt, wenn er an ihrer Kleidung zieht und zerrt. Der BH ist das offensichtlichste und praktischste Werkzeug zum Erdrosseln, weil er dem Hals so nah ist. Ich sollte hinzufügen, dass Janie nicht zu den Menschen gehörte, die Fremde einfach so ins Haus ließen. Sie überzeugte sich immer genau, wer zu ihr wollte.«
»Weil sie blind war«, vermutet Win.
»Bin ich selbst auch bald. Makula-Degeneration«, sagt Dr. Hunter. »Aber ich erkenne einiges anhand der Stimme.
Viel mehr als früher. Wenn ein Sinnesorgan ausfällt, strengen sich die anderen mehr an, um das Defizit abzugleichen. 1962 waren Journalisten noch zurückhaltender, oder Janie Brolins Familie wollte einfach nichts herauslassen, vielleicht hatte die Presse auch kein Interesse. Keine Ahnung, doch es stand damals, wenn ich mich recht erinnere, nicht in der Zeitung, dass Janie Brolins Vater als Arzt im Londoner East End arbeitete und Gewalt für ihn nichts Ungewöhnliches war. Er flickte regelmäßig Opfer zusammen. Janies Mutter arbeitete in einer Apotheke, die mehrmals überfallen worden war.«
»Janie war also nicht naiv«, sagt Win.
»Forsch und mit allen Wassern gewaschen. Einer der Gründe, warum sie den Mumm hatte, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, ganz allein, nach Watertown.«
»Wegen der Schule. Sie war blind und wollte mit Blinden arbeiten.«
»Das vermutete man.«
»Haben Sie mit der Familie gesprochen?«
»Mit
Weitere Kostenlose Bücher