Undercover
viele Menschen getötet, die ihm etwas bedeutet hatten. Warum bot mir der Mann einen Ausweg an?
»Ich bin nicht die, für die du mich hältst, Cross.«
»Vielleicht. Vielleicht bist du aber auch nicht der Mensch, für den du dich hältst.«
Ich sah ihn irritiert an und schwieg für einen Augenblick. Dann wies ich mit dem Kinn zu Ares und Grange hinüber, die sich nicht unweit unterhielten - sicher auch, weil sie uns nicht aus den Augen lassen wollten. »Deine Leute scheinen mir eher eine Kugel in den Kopf jagen zu wollen.«
Cross packte das Verbandsmaterial wieder in den kleinen Kasten. »Lass ihnen ein bisschen Zeit. Du hast ihnen gerade den Hintern gerettet, das werden sie nicht vergessen. Sie werden sich daran gewöhnen, mit dir zu arbeiten.
Fakt ist, du musst nicht mehr allein kämpfen«, sagte er sanft. »Zumindest für den Rest…«
»… meines Lebens?«
»Eigentlich wollte ich »dieser Sache< sagen.«
Ich erwiderte nichts mehr, denn mir gingen die Argumente aus.
Als ich seine Finger an meiner Wange spürte, sah ich überrascht auf. »Cross …«, begann ich, doch ich verstummte, als ich ihm in die Augen sah. Ich erkannte, dass er dabei war, sich Hals über Kopf in mich zu verlieben.
Schlimmer noch - auch in meinem Bauch fühlte ich ein Flattern, wie von einem Schwarm aufgeregter Schmetterlinge. Verdammt, verdammt, verdammt. Wissen Sie, wie lange es her ist, dass ich so etwas gespürt habe?
Ich schloss die Augen, um den Moment für mich zu bewahren.
Als ich Richards Lippen sanft auf meinen fühlte, war ich nicht mehr überrascht. Ich erwiderte den Kuss, vorsichtig erst, dann zuversichtlicher. Trotz der Bartstoppeln fühlte er sich verdammt gut an. Schließlich löste er sich von mir und lächelte jungenhaft.
Ich ertrug die Intensität seines Blicks nicht mehr und sah aus dem Bullauge an der Wand gegenüber Darin wurde die Station immer kleiner. Ich hatte nicht darüber nachdenken wollen, doch plötzlich spürte ich in meinem Innern ein Loch. Ich brauchte ein Weilchen, bis ich erkannte, was die Ursache dafür war: Auf Chorriah war meine Hoffnung bereits einmal aufgekeimt, dass Geronimo die Bombe in meinem Kopf analysieren und deaktivieren könnte. Jetzt war er tot, und es gab niemandem in Flugreichweite mehr, der das vollbringen konnte. Meine Gedanken kreisten um die Weite des Alls da draußen, die noch vor wenigen Stunden so verheißungsvoll und voller Möglichkeiten gewirkt hatte. Jetzt fand ich sie wieder düster und leer.
Cross wollte, dass ich noch einmal zu hoffen begann. Ich horchte in mich hinein und stellte fest, dass ich kaum noch Kraft dafür hatte. Ich schüttelte den Kopf. Wenn schon sterben, warum nicht gleich hier? Warum sich vorher noch zurück in die Scheiße begeben, aus der ich mich so mühselig herausgezogen hatte?
»Ein halber Tag…« Jetzt war seine Stimme rau.
Ich richtete den Blick auf meine Schuhe. »Deshalb ist das eine unglaublich schlechte Idee.«
Cross zögerte, dann zog er die Hand zurück. »Vermutlich hast du Recht.«
»Ja«, wiederholte ich betreten. Es hatte nicht viel gebraucht, um ihn wieder auf die Erde zurückzuholen -zumindest metaphorisch. Vermutlich hatte er mich nur geküsst, weil ich zum Tode verurteilt war. Wie hatten diese Leute in amerikanischen Gefängnissen früher geheißen? Dead Man Walking? Dann war ich wohl Dead Girl Walking, dem ein letzter Wunsch zustand.
»In Ordnung.« Cross stand auf und beschäftigte sich intensiv damit, sein Medkit zu sortieren, doch ich konnte ihm ansehen, dass auch er seine Konzentration nur schwer auf diese einfache Tätigkeit richten konnte.
Die Sehnsucht nach Wärme grub ein tiefes Loch in mein Inneres. Sie war total selbstsüchtig und Cross gegenüber unfair, denn wenn er sich verliebte, wäre der Schmerz umso schlimmer, wenn ich starb. Aber das Leben ist nicht fair. Zum Beispiel traf ich den feinen Mann, der mir nach Jahren der inneren Eiszeit die Seele wieder auftauen ließ, natürlich genau in dem Augenblick, an dem ich noch fünfzehn Stunden zu leben hatte. Und dabei wollte ich jede davon bis zur letzten Sekunde auskosten.
Es war dieses Flattern in meinem Bauch, das mir wieder Kraft gab. Cross hatte wirklich Recht - ich musste endlich nicht mehr allein kämpfen. »Vielleicht hast du Recht«, sagte ich schließlich. »Ich kann bei dieser Sache noch helfen, das ist immerhin etwas. Aber eine Forderung habe ich noch.«
»Und das wäre?«
»Wenn wir wieder auf Pherostine sind, will ich als Erstes ein heißes
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