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Undercover

Undercover

Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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als ich das aus normalen Kneipen und Clubs gewohnt war. Man berührte sich viel, führte hitzige Diskussionen und sang gemeinsam Arbeiterlieder, die ich nicht kannte. Mit jeder Minute fühlte ich mich mehr als Fremdkörper in einer homogenen Masse.
    Der nächste Blick auf die Multibox sagte 00:46 Uhr. Ich verfluchte die Entscheidung, mir nicht gleich ein Guinness mitgenommen zu haben, als der rotgesichtige Mann vom Eingang wieder auf mich zukam - dieses Mal mit zwei Pints in der Hand. Ich spürte, wie ich mich innerlich weiter einmauerte, um ihm endgültig klarzumachen, dass er bei mir an der falschen Adresse war. Ich hatte keine Lust auf bierselige Unterhaltungen mit Zivilisten, wollte aber auch keine Kneipenschlägerei vom Zaun brechen. Nicht in einem Irish Pub - ich war ja nicht wahnsinnig.
    »Du bist ja immer noch allein, Baby«, lallte er. »Hier, mit einem Pint bist du immerhin schon zu zweit. Lust auf einen netten Abend?«
    »Ich bin nicht durstig«, erwiderte ich abweisend.
    Als hätte er meine Worte nicht verstanden, stellte er das Pint vor mir ab und ließ sich auf den letzten freien Platz auf der Bank gegenüber fallen. Er sah gar nicht mal schlecht aus - braunes, streichholzkurzes Haar mit einer leicht eigenwilligen Krause hob sich von dem geröteten Gesicht ab. »Jetzt weiß ich, was Stewart meint«, sagte er. »Du tust wirklich alles, um dich nicht zu integrieren, oder?«
    Ich starrte ihn an, bis die Erkenntnis einsackte. »Jabbert?«
    Er brachte die Meisterleistung fertig, mir gegenüber die Maske des Betrunkenen so subtil fallen zu lassen, dass vermutlich keinem der Umstehenden etwas aufgefallen war. Ich nahm auf den Schrecken einen Schluck Guinness und musterte ihn genauer.
    Er war über vierzig Jahre alt, mittelgroß und durchtrainiert. Das Gesicht besaß kaum markante Züge, an denen man ihn hätte wiedererkennen können - weder waren die Brauen besonders dick noch die Nase übermäßig groß, und auch das Kinn wollte sich mir nicht als aufsehenerregend breit einprägen. Erst auf den vier» ten Blick fiel auf, dass die Rötung seines Gesichts nicht vom Guinness und der stickigen Luft stammte, sondern aufgeschminkt war.
    Ansonsten sah er momentan vom Scheitel bis zu den stilecht dunklen Rändern unter den Fingernägeln nach Minenarbeiter aus. Um nichts in der Welt hätte ich ihn von unserer kurzen Begegnung im Ausbildungslager wiedererkannt. Ich fand Vertrautes in den harten grünen Augen und ein paar Linien im Gesicht, die ihm, wenn er sich nicht bemühte, einen grausamen Zug verliehen.
    »Hier bin ich James«, sagte er.
    Ich erwiderte das einzig Intelligente, was mir auf die Schnelle einfiel: »Hi, James.« Verklagen Sie mich - ich war halt überrascht. »Du wirst dich nicht erinnern, aber wir sind uns schon mal…«
    »… kurz begegnet, ja. Im Ausbildungslager in Australien. Ich erinnere mich. Man hat damals deine … Eigenschaften getestet.«
    Oh ja, Enclave hatte sich sehr dafür interessiert, welche Fähigkeiten mir meine Gabe verlieh und welche nicht. Es war ein schmerzhafter und anstrengender Prozess gewesen, in dessen Verlauf man herausgefunden hatte, dass ich chemische Prozesse in Sprengstoffen beschleunigen und sie damit zur Reaktion bringen konnte. Zumindest haben mir die Techniker von Enclave das so erklärt. Herauszufinden, dass ich dieselben chemischen Prozesse umgekehrt aber nicht verlangsamen oder abstellen kann, hätte mich beinahe das Leben gekostet, als die Herrschaften mich an einen Sprengsatz gefesselt hatten, um zu schauen, ob sich diese Kräfte vielleicht durch Lebensgefahr erwecken ließen. Dass ich noch lebe, habe ich einem geistesgegenwärtigen Assistenten zu verdanken, der rechtzeitig auf den richtigen Knopf gedrückt hat.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns nochmal sehen.«
    Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Man begegnet sich immer dreimal im Leben.«
    Ich zog eine Augenbraue hoch. »Wer sagt das?«
    »Ich. Zum Kennenlernen, um ein Stück Weg miteinander zu gehen und zum Abschied nehmen.«
    »Hm. Du hältst nicht viel von Langzeitbeziehungen, oder?«
    »Nein.« Er musterte mich. »Stewart hat mir gesagt, dass du nicht sonderlich gut in der Undercover-Arbeit bist. Er hat untertrieben.«
    Müde rieb ich mir die Nasenwurzel. »Ich bin vor nicht mal ganz drei Stunden angekommen. Ich habe noch nicht gegessen und nicht geschlafen. Gib mir ein paar Stunden, dann denke ich mir auch eine sinnvolle Hintergrundgeschichte aus.«
    Er schenkte mir einen kühlen Blick.

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