Undercover
nur von weitem gesehen.
Ja, er war dunkelhaarig, und ja, er hatte ein kantiges Gesicht. Er musste sich zwischendurch rasiert haben, denn der Drei-Tage-Bart war einem Bartschatten gewichen. Jetzt schätzte ich ihn eher auf Anfang dreißig denn Ende zwanzig. Und er besaß die intensiven Augen von jemandem, der durch sein ganz eigenes Tal der Finsternis gewandert und daraus nicht als derselbe Mann hervorgegangen war, als der er es betreten hatte. Cross trug eine lockere dunkelblaue Jeans und einen grauen Rip-Pullover mit Stehkragen, der vorne mit einem Reißverschluss geschlossen war, dazu, wie fast jeder hier, schwarze Stiefel mit Stahlkappen.
Jabbert stieß mich mit dem Ellbogen an und ruckte mit dem Kopf in Cross’ Richtung. Mein Augenblick war gekommen, und ich wusste so überhaupt nicht, was ich tun sollte. Was hatte mein Partner noch gesagt? Ein bisschen mit den Wimpern klimpern, und der Rest geht von allein? Das sollte mein Plan sein? »Ich bin für großflä-
chige Sprengungen zuständig, verdammt«, murmelte ich, dann ging ich zögerlich auf Cross zu und streckte meine Hand aus.
»Ich, ähm«, begann ich, »ich wollte Ihnen danken, Mr. Oos s.«
Er sah sich nur ein wenig genervt zu mir um und schüttelte mir die Hand. »Sag Richard, bitte. In der Gewerkschaft sind wir doch alle Genossen, oder?«
»Gern.«
»Wie heißt du?«
»Eliza. Konrad.« Verdammt. Warum war ich plötzlich total auf den Mund gefallen?
Cross sah mich auch irritiert an. Vermutlich hatte er heute Abend schon so viele Hände geschüttelt, dass er die Leute, die daran hingen, gar nicht mehr auseinanderhalten konnte. »Eliza Konrad?«
»Eliza. Aus Konrad. Dem Stollen.« Es war nicht so, dass ich hier stand und stammelte wie ein Teenager. Etwas in meinem Kopf hielt meine Zunge davon ab, vollständige Sätze zu formen. Vielleicht strahlte der Sprengsatz in meinem Kopf auf das Sprachzentrum ab. Genau, das wird es gewesen sein. Ich errötete und zog die Hand zurück.
Vielleicht hatte ich sogar mit den Wimpern geblinzelt, so aus Versehen.
»Ich hatte mich gerade gewundert, dass du genau wie der Stollen heißt«
Ich suchte nach Worten, fand aber noch immer keine. Also überließ ich meinem Mundwerk das Denken. »Ich hätte es meinen Eltern übelgenommen, wenn sie mich Konrad genannt hätten. Alfred wäre vielleicht noch gegangen.«
Er lächelte. »Oder Adam.«
»Ja, Adam geht auch. Aber Konrad? Bitte!« In spielerischer Genervtheit verdrehte ich die Augen.
Wir lachten zusammen, beide ehrlich erleichtert, dass das Eis gebrochen war. »Du hast einen Humor, der mich an einen alten Freund erinnert«, bemerkte Cross.
Widerwillig lenkte ich meine Gedanken zurück auf den Job. Jetzt, da ich zur menschlichen Sprache zurückgefunden hatte, nahm ich meinen Mut zusammen. »Sag mal, ich wollte mit ein paar Kumpeln gleich noch etwas trinken gehen. Hast du vielleicht auch noch Lust auf einen Schluck?«
Er zögerte kurz. »Ich - gern. Wo geht ihr hin?«
»Ehrlich gesagt kennen wir uns hier noch nicht sonderlich gut aus. Hat’s in der Nähe eine gute Kneipe?« Immer aktiv halten, die Herren, hat mir früher mal eine Freundin gesagt, die damals schon deutlich größere Erfahrung auf dem Feld besessen hatte als ich.
Er sah mir in die Augen. »Ja, sicherlich. Ich muss nur noch…«
»Richard?«, fragte jemand dazwischen.
Cross wollte seinen Satz noch beenden: »… nur noch beim Abräumen…«
»Richard!« Jetzt konnte man den Zwischenruf nicht mehr ignorieren.
Als wir uns gleichzeitig umwandten, musste ich den Reflex unterdrücken, mich sofort wieder abzuwenden, um nicht erkannt zu werden. Cross wirkte ungehalten: »Winslow, ich unterhalte mich gerade. Was gibt’s denn?«
Winslow war die Blonde mit den Cyberoos, die dieses Mal die Freundlichkeit besaß, vor mir stehen zu bleiben, statt durch mich hindurchmarschieren zu wollen. Sie sah mich an, sprach aber offenbar mit Cross. »Ein paar der Jungs nisten sich vorsichtshalber bei dir zu Hause ein, nur, dass du’s weißt.« Sie deutete mit dem Daumen auf den Cowboy, der nicht unweit stand.
»Meint Grange etwa, dass mich jemand überfallen will?«, fragte Cross stirnrunzelnd.
Ich verschluckte mich beinahe und versuchte, an Gänseblümchen und grüne Wiesen zu denken, um mich nicht durch einen Gesichtsausdruck zu verraten.
»Na ja, jetzt, wo du im Vorstand bist… Wie lange dauert das bei dir noch? Wollten wir nicht längst los?« Sie runzelte die Stirn und schien mich jetzt erst richtig zu
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