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Undercover

Undercover

Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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eine Waffe, und sei es ein Stuhlbein, einen Brieföffner oder einen verdammten Zahnstocher. Unauffällig sah ich mich um. Wo steckte eigentlich Jabbert?
    Winslow ging vor mir langsam die Treppe hoch, ich folgte in drei Metern Abstand. Als ich den Augen eines Mannes begegnete, der als Zweitletzter am Geländer der Galerie stand, verlangsamte ich meinen Schritt. Ich musste mehrfach hinsehen, um meinen Verdacht zu bestätigen - es war mein Partner. Der Aal hatte sich mit Haargel, einem Schnurrbart und etwas unauffälligem Make-up in einen Latin-Lover par excellence verwandelt. Vom glänzenden Scheitel über die Lederjacke mit dem weißen Muscle-Shirt darunter bis hin zur Markenjeans und den italienischen Designerschuhen stimmte alles. Nicht einmal ich hätte ihn wiedererkannt, wenn er mir nicht so deutlich in die Augen gesehen hätte. Wo hatte er so schnell neue Kleidung herbekommen?
    Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, und ging weiter auf ihn zu. Dann sah ich, dass Jabbert seine Jacke leicht aufhielt, so dass sie mir Einblicke gewährte, allen anderen aber die Sicht blockierte. Darunter sah ich den Griff einer Pistole.
    Ich reagierte, ohne nachzudenken. Als ich ihn passierte, griff ich schnell und unauffällig zu und ließ die Waffe im Schutz seiner Deckung im Holster unter meinem Arm verschwinden. Sie passte zwar nicht ganz, aber ich hoffte, sie würde nicht herausfallen. Dann stieg ich die Wendeltreppe hoch auf die zweite Galerie. Ich hörte, dass mir ein oder zwei Leute folgten. Erleichtert atmete ich aus. So weit also zum Improvisieren - vielleicht würde dieser Abend doch noch teilweise nach Plan verlaufen. Oben angekommen machte die dünne Punkerin keine Anstalten, mich aufzuhalten.
    Besser hätte es nicht kommen können - Cross würde innerhalb einer Stunde tot sein. Und mit Jabbert im Hintergrund hatte ich vielleicht sogar eine Chance, hier wieder lebend herauszukommen. Dann konnte ich Pherostine den Rücken kehren, und alles wäre beim Alten.
    Mit trockenem Mund folgte ich Winslow zur zweiten Tür auf der oberen Galerie, die bis auf einen offensichtlichen Aufpasser in der Ecke völlig leer war. Ein Blick bewies, dass das Frettchen und das Walross mir gefolgt waren.
    Die Frau vor mir zog ein kleines Gerät aus der Tasche und tippte behände darauf herum, dann steckte sie es wieder ein, ohne die Miene zu verziehen. Sie wies mit dem Kopf in Richtung der Tür, vor der wir standen. »Geh schon«, sagte sie abfällig.
    Ich öffnete die Tür, um einzutreten. Natürlich war mal wieder alles nicht so gelaufen, wie ich gehofft hatte. Cross’
    Sicherheitsleute überließen nichts dem Zufall, und das Attentat wäre hier kaum unauffälliger als in der Gießerei.
    Doch in diesem Hinterzimmer im Potemkin’s bot sich mir vermutlich die letzte Chance, die ich innerhalb der mir gegebenen Zeitspanne erhalten würde. Ich musste sie nutzen.
    Tatsächlich stellte Richard Cross ab jetzt das kleinere Problem dar. Die wahre Herausforderung lag darin, nach seinem Tod das Potemkin’s wieder lebend zu verlassen. In jedem Fall gab es kein Zurück mehr.
    Der Gedanke besaß auch etwas Tröstliches.

    29. März 3042 (Erdzeit) Ort: Carabine, Potemkin’s
    Cross saß in einem Sessel schräg links gegenüber der Tür, vor ihm ein Tisch mit seinem Phonestick und zwei Flaschen Bier darauf. Er trug noch dieselben Sachen, die er in der Gießerei angehabt hatte, die dunkelblaue Jeans, den grauen Reißverschlusspullover und die Stahlkappenstiefel. Er wirkte deutlich ruhiger als vor aller Öffentlichkeit auf der Versammlung. Trotzdem gewann ich den Eindruck, dass er unter Strom stand.
    Das Zimmer war groß - größer, als ich gedacht hatte. Ich sah mich um. Die lange Seite dieses Raums wies mit mehreren Fenstern zur Seitenstraße, die kurze zur Front des Gebäudes schräg über dem Vordereingang. Die Tür bei der Treppe, an der wir vorbeigegangen waren, führte ebenfalls hier herein, ihr gegenüber ragte ein ausladendes Himmelbett mit wuchtigen Holzblenden und roten Vorhängen mitten in den Raum. Auch die restliche Einrichtung entsprach mehr der eines teuren Puffs - rote Plüschmöbel und Vorhänge aus schwerem Samtbrokat. Zwischen den Fenstern nach vorne sah ich ein feudales Schminktischchen mit Spiegel, davor einen Hocker. Das Ganze hatte im Gegensatz zu der Bar unten einen deutlich herrschaftlichen, beinahe zaristischen Touch.
    Ich war mit Cross - meiner Zielperson - allein. Mir schoss ein schlimmer Verdacht durch den Kopf. Vielleicht

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