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Undercover

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Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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das Parkett von Pherostine drängte und dafür Tabula rasa bei der Gewerkschaft machen wollte. Er ging davon aus, dass United ihm ans Leder wollte, nicht Enclave Limited. Er kämpfte gegen Schatten.
    »Elephant an Alpha One. Dies ist die letzte Warnung.« Offenbar traute er mir inzwischen wirklich nicht mehr, wenn er mir ständig dazwischenfunkte. Außerdem ließ er den Funk offen und hörte mir zu. Er wollte mich überwachen.
    Also musste ich handeln. Wenn es Komplikationen gab - vielleicht hatte United Wind von meiner Anwesenheit bekommen -, dann musste ich den Einsatz zügig beenden, damit ich Pherostine verlassen konnte. Das bedeutete auch, dass Richard Cross’ Minuten jetzt gezählt waren.
    Ich sah auf und traf seinen Blick. Vielleicht sah er meinen Entschluss darin. In jedem Fall sahen wir einander zum ersten Mal wirklich in die Augen. Ich kam mir vor, als wenn Cross mir die Maske der Eliza Dornt vom Gesicht zog und durch zwei Fenster direkt in meine Seele blickte - die Seele von Elyzea Quinn, nach Australien verurteilte Strafgefangene, Justifier im Dienste der Enclave Limited und verantwortlich für den Tod von mehreren Dutzend Menschen. Ich wollte nicht, dass er all das sah. Aber ich konnte meine Augen auch nicht mehr schließen.
    In Cross reifte offenbar eine Erkenntnis heran. Auf seinem Gesicht machte sich der Ausdruck eines Kaninchens breit, das langsam realisierte, dass es nicht mit einem Plüschtiger eingesperrt war, sondern mit einem hungrigen Löwen. Der Schreckensmoment schien sich eine kleine Ewigkeit zu dehnen. Dann blinzelte Cross, und die Zeit sprang in schnellen Vorlauf, als wolle sie die verlorene Strecke wiedergutmachen.
    Wir reagierten beinahe gleichzeitig.
    Cross griff zwischen die Polster seines Sessels und zog eine schlanke Automatik hervor, mit der er mich ohne Zweifel erschießen wollte. Ich ließ meine Waffe, wo sie war. Stattdessen stützte ich mich mit den Händen an den Lehnen meines Sessels auf, drückte mich vom Boden ab und trat nach seiner Hand - ein Trick, den mir Estyxia beigebracht hatte. Seine Automatik fiel klappernd zu Boden und rutschte zur Wand bei der Tür, bevor er sie abfeuern konnte. Ich kam wieder mit den Füßen auf dem Boden auf und suchte einen sicheren Stand.
    Jetzt zog ich Jabberts Pacifier.
    Ich richtete die Mündung auf den Punkt zwischen Richard Cross’ Augen. Er erstarrte, die Hände reflexartig ein wenig angehoben, so dass sie auf Hüfthöhe schwebten.
    Ein paar Augenblicke lang sagte keiner von uns ein Wort.
    »Du bist also nicht gekommen, um mich auszuspionieren, sondern um zu töten.«
    Ich sah Cross in die Augen und erblickte einen verdammt feinen, aufrechten Kerl, der sein Leben dafür riskierte, für andere zu kämpfen. Ich nickte mit echtem Bedauern. Immerhin war mein Großvater ein Kumpel gewesen. »Du bist ein offenes Ende.«
    Cross’ Augen weiteten sich. »Du! Du hast die anderen getötet! Symes, Willboury, Gruber - du hast den Stollen in die Luft gesprengt!«
    Ich sah ihn über die Länge meines ausgestreckten Arms und des Pistolenlaufs an und schwieg. Offenbar war ihm das Antwort genug. Er wurde noch einen Grad blasser. Er schluckte schwer und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, las ich schwer gezügelte Wut darin.
    Und ich wusste, dass ich ihn nicht töten wollte.
    Stewarts Stimme drang leise an meinem Ohr. »Elyzea, du hast noch zehn Sekunden.«
    Cross, der den Funk ja nicht hörte, sagte bebend: »Symes war ein guter Mann. Willboury hatte zwei Kinder. Und selbst Gruber… Keiner von ihnen hatte es verdient zu sterben.«
    Wie schon einmal erschien die kleine, funkensprühende Karikatur einer Bombe in meinem rechten oberen Gesichtsfeld. Sie zählte einen Countdown von 12 herunter. Stewart hatte endgültig die Geduld verloren.
    Und in diesem Augenblick lernte ich eine endgültige Lektion über mich selbst. Ich würde mich nicht aufgeben, um einen anderen zu retten. Nein, ich wollte Cross nicht töten, ich mochte den Mann und fand gut, was er tat. Aber ich würde es trotzdem tun. Stewart saß am anderen Ende meiner Funkverbindung mit dem Finger über dem Knopf, der mein Leben beenden würde, mit dem er die Bombe aber auch wieder abstellen konnte. Ich wusste nicht, ob er mich dieses Mal noch retten würde, nach allem, was passiert war, aber ich musste es darauf ankommen lassen. Er kannte mich - ich hatte noch immer mein eigenes Leben vor das anderer gestellt.
    »Es tut mir leid.« Ich meinte es ernst. Der Tod seiner Freunde, der

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