Undercover Lover
erklären, Seymoore, aber du kennst ja auch das Gefühl, außen zu stehen und nicht eingreifen zu können, wenn es hart auf hart kommt. Ich würde mit dir tauschen, wenn ich könnte.“
Von dem letzten Undercover-Job hatte Jason ein Andenken zurückbehalten, weshalb er noch immer auf eine Gehhilfe angewiesen war und für Nevin dieses Mal den Supervisor spielte. Er hasste es, seinem Partner keine direkte Rückendeckung leisten zu können; Nevin würde es ebenso gehen, wäre er an Jasons Stelle.
„Okay, du hast recht. Ich halte mich aus dem Fall raus.“
Jason nickte zufrieden.
„Das wollte ich hören. Hast du schon etwas Neues für mich?“
„Nein, aber irgendwas liegt in der Luft, die Crew ist in Habachtstellung. Ich finde schon noch heraus, worum es geht.“
„Gut, halt mich auf dem Laufenden und hol dir eine Mütze voll Schlaf ab. Du siehst wie ein frisch gevögeltes Eichhörnchen aus.“
Lachend verabschiedete sich Nevin von ihm und sah zu, wie er sich von der verlassenen Lagerhalle entfernte, in seinen Mercedes stieg und davonfuhr. Er blieb allein zurück, dachte an Kaylin. Jedes Mal wenn er sie aufsuchte, riskierte er nicht nur, seine Tarnung auffliegen zu lassen, sondern auch sein Leben. Doch während dieser Jobs war sie diejenige, die ihn auf dem Boden hielt. Alle seine Spezialeinsätze hatten Spuren an und in ihm hinterlassen, hatten ihn in vielerlei Hinsicht abgestumpft, aber Kaylin berührte etwas in ihm, das noch nicht von all dem Abschaum und dem Dreck, den er tagtäglich erlebte, angetastet war. Die Intimität mit ihr in dieser Nacht hatte ihn jedoch eine mentale Grenze überschreiten lassen, vor der er sich gefürchtet hatte. Er hatte sie mit roher Gewalt genommen, nur vom reinen stumpfen Instinkt getrieben und dunkle Gedanken waren an die Oberfläche gerate, die er zutiefst verabscheute. Verstand Kaylin das ganze Ausmaß seiner Angst, zu weit zu gehen? Er hoffte auf jeden Fall, sie würde diesen Tabubruch zwischen ihnen nicht bereuen, und er musste aufhören, sie während der Jobs zu sehen. Es stand zu viel auf dem Spiel.
Doch würde er sein Vorhaben auch umsetzen können?
Kapitel 4
Die Arme weit von sich gestreckt, wachte Kaylin in einem völlig zerwühlten Bett auf und seufzte. Ihr Kopf schmerzte, und die Reue über ihren Alkoholkonsum folgte sofort. Auf dem Bauch liegend strich sie sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht und blickte sich in ihrem Schlafzimmer um. Schlagartig wurde ihr bewusst, was gestern geschehen war, und für einen Moment kämpfte sie mit Gewissensbissen. Nevin lag nicht neben ihr. Es war erstaunlich, wie erleichtert sie sich fühlte, wenigstens diese skurrile Normalität wie ein Geschenk zu betrachten. Seit Erics Ermordung verlief alles für sie wie in Zeitlupe und als könne sie nicht daran teilhaben. Es fühlte sich so falsch an, befremdlich und irreal.
Als Kaylin ihre Füße aus dem Bett schwang, trat sie auf ein Stück Papier. Es musste runtergerutscht sein und wirkte leer. Sie hob es auf, drehte es um und lachte auf. Scheinbar war ihm diesmal nicht viel eingefallen, was er ihr hätte sagen können. Ein Smiley mit breitem Grinsen zwinkerte ihr entgegen.
Bereu es nicht, wir reden später! Nevin
Reue empfand sie nicht wegen dem, was zwischen ihnen in der Nacht geschehen war. Kaylin fühlte sich noch immer wund von seiner gewaltigen sexuellen Wut. Doch das Ziehen summte köstlich in ihrem Körper und überzog sie mit einer wohligen Gänsehaut. Das schlechte Gewissen allerdings nagte sofort wieder an ihr. Es gab kaum etwas, was sie nicht voneinander wussten. Ihre Freundschaft war sehr schnell sehr intim geworden. Das Knistern zwischen ihnen war zu verführerisch, um ihm nicht nachzugeben, und seit ihrer ersten Nacht erzählten sie sich ihre geheimsten und dunkelsten Fantasien. Allerdings bestand eine feine Linie, eine Grenze, bei der sie sich einig waren, dass sie sie nie überqueren würden.
Erneut betrachtete sie das Smiley und schüttelte den Kopf.
„Ich bereue es nicht!“
Kaylin atmete tief ein, legte die Nachricht beiseite, stand auf und stieg unter die Dusche, um sich für die Arbeit vorzubereiten. Als sie zur Tür hinaus wollte, entdeckte sie die unordentliche Wolldecke auf ihrem Sofa und einen weiteren Zettel auf dem Tisch. Hatte Nevin die Nacht auf der Couch verbracht? Die Nachricht war von Tara, sie erkannte die Schrift ihrer besten Freundin sofort. Bin noch mal zurück in mein Apartment, um mich umzuziehen. Wir sehen uns in der Bar.
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