Undercover
Gedanken auf das Praktische und Notwendige zu konzentrieren. Von ihr konnte er keine Unterstützung erwarten. Es war an ihm, sich etwas einfallen zu lassen. Er durfte nicht auch noch die Nerven verlieren. Denn eines stand für ihn fest: Die Polizei durfte nicht erfahren, was wirklich geschehen war. Er wollte nicht ins Gefängnis. Niemals. Und Chrissy... Wenn man sie fassen würde, müsste er sich auch stellen. Ihm wurde übel . Sie mussten zu einem unauffälligen Alltag zurückkehren und gleichzeitig durfte er sie nicht allein und nicht aus den Augen lassen. Darauf – und auf nichts anderes musste er sich ab jetzt konzentrieren.
„Wir müssen in den Supermarkt, einkaufen“, sagte er ruhig.
Sie krümmte ihre Finger und bet rachtete ihre Nägel.
„Oh, ja, i ch muss in die Drogerie.“
„Kaufst du dir wieder irgendwelche Scheiß-Tabletten?“
„ Idiot, d enkst du, die gibt’s in der Drogerie? Ich brauche Nagellack.“
Natürlich hätte er ihren Ton, in dem sie mit ihm sprach, übergehen können, aber etwas in ihm wehrte sich dagegen, und er fragte:
„Hast du eigentlich Tim Wilcox auch so behandelt wie mich?“
Einen Moment starrte sie ihn nur an, dann prustete sie los.
„Weißt du, was dein Problem ist, Joshy? Du hast einen Mutterkomplex. Und einen Vaterkomplex. Dabei sind sie schon längst zu Staub zerfallen!“ Sie schnitt eine Grimasse.
Er hasste sie.
„ Wir müssen deine Mutter anrufen. Sie wird sich Sorgen machen.“
„Die?“ Chrissy lachte gehässig. „Die ist do ch froh, wenn ich nicht da bin. “
„Trotzdem. Nicht, dass sie noch die Polizei einschaltet.“
„Mensch, Joshy, du bist echt `en Angstha se“, sie stöhnte, „aber wenn es dich entspannt , meinetwegen. Aber ich rufe nicht an.“
Das war ihm sogar lieber. Wer weiß, was Chrissy in ihrem Zustand erzählen würde. Er hatte ja Erica Wagners Telefonnummer und ging ins Wohnzimmer, um von dort ungestört zu telefonieren. Er würde sagen, dass Chrissy bei ihm sei, sich nach einer ausgedehnten Party wieder hingelegt habe und eingeschlafen sei, und dass sie sich keine Gedanken machen müsse.
Am anderen Ende der Leitung hörte er das Klacken des abgenommenen Hörers. Er räusperte sich. Doch dann merkte er, dass sich ein Anrufbeantworter eingeschaltet hatte. Er sprach seinen Text darauf, legte a uf und fühlte sich erleichtert.
„Fahren wir jetzt endlich ?“ Chrissy war hereingekommen, sie trug zwar immer noch das ihr viel zu weite T-Shirt, hatte aber im Schrank ein gebatiktes Tuch gefunden und es sich als langen Rock umgeschlungen. Sie sah fast wieder normal aus, und er schöpfte Hoffnung, dass... ja, was hoffte er eigentlich? Dass sie davonkämen? Dass er irgendwann alles vergessen könnte? Pete nebenan pfiff. Jetzt hörte er es auch. Und jetzt störte es ihn. Warum sagt ihm Betsy nicht, dass er damit aufhören soll?
Schweigend saßen sie im Auto. Chrissy rauchte. Die Sonne brannte, und die Farben waren zu grell. Eine Frage ließ ihn nicht los. Obwohl seine Vernunft ihm riet, die Frage besser nicht zu stellen, tat er es doch, als sie auf die Straße, die zur Hauptstraße führte, einbogen.
„Was hast du gedacht, als du gemerkt hast, dass ich euch zugesehen habe , dir und Wilcox ?“
Sie stöhnte auf.
„Keine Ahnung! Vielleicht hab’ ich mich amüsiert.“
„Über mich?“
Sie sog an ihrer Zigarette und sah geradeaus ohne zu antworten.
„Du hast dich über mich amüsiert“, sagte er. „Warum?“
„Mensch, können wir nicht über was anderes reden?“
„Wieso? Ich will gern darüber reden.“ Er wusste nicht, warum er sich selbst quälen wollte.
Sie sah kurz zu ihm herüber, fragend, abschätzend.
„Also, dann sag’ ich dir, was ich gedacht habe: Dieser Idiot da unten besabbert sich, weil er sicher schon lang keine Frau mehr gevögelt hat.“ Sie blies lange den Rauch aus der Nase.
Hatte er denn eine andere Antwort erwartet?
„Und warum hast du dich mit mir verabredet? Und warum hast du vorhin mit mir Sex gehabt?“
„Warum, warum? Mein Gott, ich hab’s eben gemacht.“ Ihr Blick glitt zum Seitenfenster. „ Außerdem bist du ein ganz guter Typ.“
Er war sich nicht sicher, ob sie das ernst meinte.
„Ist dir denn überhaupt irgendwas wichtig?“
Sie sah ihn an, mit diesen Augen, die nichts preisgaben, zog an der Zigarette und blies ihm den Rauch ins Gesicht .
„Du klingst wie meine Mutter und meine Lehrer.“
Josh sagte nichts mehr. Es gab nichts mehr zu sagen. Er wollte sein Leben um ein paar
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