Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Verteidigungsministerium nicht?«
»Würden Sie das tun?«
»Das ist nicht meine Welt. Würden Sie ihnen trauen?«
»Ungefähr so weit, wie ich spucken kann.«
»Traut er denn Springfield nicht?«
»Dem würde er sein Leben anvertrauen. Aber Springfield ist nur ein einzelner Kerl. Und Sansom hat ein großes Problem. Vielleicht findet er, dass ein Typ, der schon drin ist, ruhig weiter mitmischen soll. Je mehr, desto besser.«
»Also muss er uns helfen.«
»Er muss nicht«, erwiderte ich. »Seine Zuständigkeit ist eng begrenzt. Aber er könnte dazu geneigt sein. Deshalb sollen Sie ihn anrufen.«
»Warum rufen Sie ihn nicht selbst an?«
»Weil ich nicht hier sein werde, wenn er morgen früh ins Büro kommt.«
»Nein?«
»Wir treffen uns um zehn Uhr im Madison Square Park. Ein paar Blocks südlich von hier. Seid auf dem Weg dorthin vorsichtig.«
»Wohin gehen Sie?«
»Aus.«
»Wohin?«
»Lila Hoth suchen.«
»Die finden Sie nicht.«
»Wahrscheinlich nicht. Aber sie hat eine Crew. Vielleicht findet die mich. Ich weiß mit Sicherheit, dass sie mich sucht. Und sie besitzt ein Foto von mir.«
»Sie wollen als Lebendköder herumlaufen?«
»Wenn’s nur funktioniert.«
»Die Cops fahnden bestimmt auch nach Ihnen. Und das Verteidigungsministerium und das FBI . Vielleicht Leute, von denen Sie noch nie gehört haben.«
»Hektische Nacht allerseits.«
»Machen Sie’s gut, okay?«
»Immer.«
»Wann gehen Sie?«
»Jetzt.«
50
New York City, ein Uhr morgens. Der beste und zugleich schlimmste Ort der Welt für einen Gejagten. Die Straßen waren noch warm. Es gab wenig Verkehr. Auf der Madison Avenue kam manchmal volle zehn Sekunden lang kein Auto vorbei. Allerdings waren noch Leute zu sehen. Manche schliefen in Hauseingängen oder auf Bänken. Andere waren zu Fuß unterwegs, mit festem Ziel oder planlos. Ich entschied mich für die ziellose Variante. Ich folgte der 30th Street, überquerte die Park Avenue und ging zur Lexington Avenue weiter. Ich war nie in der Kunst ausgebildet worden, unsichtbar zu bleiben. Dafür wählte man Kleinere aus. Männer in Normalgröße. Mich schickten sie gleich wieder weg, weil man glaubte, ein Kerl in meiner Größe müsse überall auffallen. Aber ich komme zurecht. Ich habe mir selbst ein paar Methoden beigebracht. Manche widersprechen dem, was man intuitiv tun würde. Die Nacht ist besser als der Tag, weil weniger Leute unterwegs sind. Auf leeren Straßen falle ich nicht mehr, sondern weniger auf, denn wer mich sucht, hält Ausschau nach einem großen Mann. Und Größe lässt sich leichter beurteilen, wenn man Vergleiche anstellen kann. Stehe ich in einer Menge aus fünfzig Menschen, überrage ich alle um Haupteslänge. Bin ich allein, sind die Leute ihrer Sache weniger sicher. Kein Vergleichsmaßstab. Die Größe einzelner Menschen lässt sich nur schwer schätzen, das wissen wir aus Versuchen mit den Aussagen von Augenzeugen. Stellt man einen Vorfall nach und fragt erste Eindrücke ab, kann ein und derselbe Mann als zwischen einem Meter siebzig und einem Meter neunzig groß beschrieben werden. Die Leute sehen, aber sie schauen nicht richtig hin.
Mit Ausnahme von Leuten, die dafür ausgebildet sind.
Ich achtete besonders auf Autos. In New York gibt es nur eine Möglichkeit, einen einzelnen Menschen aufzuspüren: Man muss die Straßen abfahren. Für alternative Methoden ist die Stadt einfach zu groß. Die blau-weißen Streifenwagen der New Yorker Polizei waren leicht zu entdecken. Ihre Blinkleuchten auf dem Dach verliehen ihnen eine markante Silhouette, die schon aus weiter Entfernung auszumachen war. Immer wenn ich einen sah, legte ich mich in den nächsten Hauseingang. Nur ein weiterer Obdachloser. Im Winter unglaubwürdig, weil ich keinen Berg alter Decken über mir hätte ausbreiten können. Aber es war noch heiß, und die richtigen Obdachlosen trugen in dieser Zeit T-Shirts.
Neutrale Dienstwagen waren schwieriger zu orten. Von vorn unterschieden sie sich nicht von anderen Autos. Aber Lokalpolitik und Haushaltszwänge beschränkten die Auswahl auf eine Handvoll Marken und Modelle. Und die meisten dieser Wagen sehen ungepflegt und schmutzig aus, hatten defekte Stoßdämpfer und schlingerten.
Anders die neutralen Dienstwagen der Federal Agents. Dieselben Marken, dieselben Modelle, aber oft neu und sauber, gewachst und poliert. Leicht zu erkennen, aber nicht leicht von bestimmten Mietwagen zu unterscheiden. Auch Firmen, die Limousinen mit Fahrer vermieteten,
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