Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
einzigen Begriffe sein würden, an die sich noch jemand erinnerte. An meiner Größe war nichts zu ändern, aber ich konnte hoffen, in einem schwarzen T-Shirt unbeachtet zu bleiben. Außerdem ließen der Aufdruck, die Sonnenbrille und die Kappe mich wie einen richtigen Idioten von auswärts erscheinen.
Was ich im Prinzip auch war. Eigentlich hatte ich keine Ahnung, was ich hier machte. Einen Versteckten aufzuspüren ist immer schwierig. In einer dicht besiedelten Millionenstadt nahezu unmöglich. Ich suchte fast willkürlich Straßenblocks ab, folgte einer geografischen Vermutung, die unter Umständen von Anfang an falsch gewesen war, und versuchte Gründe zu finden, die sie weiter präzisieren würden. Das Hotel Four Seasons. Nicht benachbart, aber in bequemer Nähe. Was bedeutete das? Eine zweiminütige Autofahrt? Fünf Minuten zu Fuß? In welche Richtung? Nicht nach Süden, schätzte ich. Nicht über die 57th Street, die eine Hauptverkehrsader ist. Zwei Richtungen, sechs Fahrspuren. Tag und Nacht belebt. In der Mikrogeografie Manhattans glich die 57th Street dem Mississippi. Ein Hindernis. Eine Grenze. Einladender war der Weg nach Norden, wo stillere, dunklere Straßenblocks lagen.
Ich beobachtete den Verkehr und sagte mir: keine zweiminütige Autofahrt. Mit dem Auto zu fahren bedeutete mangelhafte Kontrolle, eingeschränkte Flexibilität und Staus, Einbahnstraßen und Schwierigkeiten bei der Parkplatzsuche sowie potenziell einprägsame Fahrzeuge, die in Halteverboten warteten, weiter Kennzeichen, die abgefragt und überprüft werden konnten.
In der Großstadt war man zu Fuß besser dran als mit dem Auto.
Ich nahm die 58th Street und ging zum Hintereingang des Hotels. Er war ebenso prächtig wie der vordere Eingang. Es gab Sandstein und Messing, wehende Fahnen und Pagen in Livree und Portiers mit Zylinder. Am Randstein warteten in langer Reihe Luxuslimousinen der Marken Lincoln, Mercedes, Maybach, Rolls-Royce. Fahrzeuge für weit über eine Million Dollar auf knapp dreißig Metern zusammengedrängt. Hier gab es auch eine Ladebucht mit einem grauen Rolltor, das im Augenblick geschlossen war.
Ich blieb mit dem Rücken zum Hotelausgang neben einem Pagen stehen. Wohin würde ich von hier aus gehen? Auf der anderen Straßenseite gab es nur eine fast geschlossene Reihe von hohen Gebäuden. Überwiegend Apartmenthäuser, deren Erdgeschosse an prestigeträchtige Galerien und Boutiquen vermietet waren. Ich zwängte mich zwischen zwei verchromten Stoßstangen hindurch, überquerte die Straße und gab vor, die in einer Galerie ausgestellten Gemälde zu betrachten. Dann drehte ich mich um und nahm die Szene von der anderen Straßenseite aus in Augenschein.
Links neben dem Hotel, wo es zur Park Avenue ging, gab es nicht viel Interessantes zu sehen.
Dann blickte ich nach rechts den zur Madison Avenue führenden Block entlang und kam auf eine neue Idee.
Das Hotel selbst war ein Neubau, der sehr viel Geld gekostet hatte. Die benachbarten Gebäude machten einen gediegenen und soliden Eindruck, manche waren alt, manche ziemlich neu. Doch am Westrand dieses Blocks ragten drei verfallende Altbauten auf. Schmalbrüstige Klinkerbauten, nur zwei Fenster breit, vier Stockwerke hoch, verwittert, abbröckelnd, baufällig, ziemlich heruntergekommen. Schmutzige Fenster, durchhängende Sturze, rostige Blechdächer, Unkraut auf den Simsen und alte Feuertreppen, die im Zickzack aus den oberen Stockwerken nach unten führten. Die drei Gebäude sahen wie drei faulige Zähne in einem strahlenden Lächeln aus. Das Erdgeschoss des ersten war an ein längst geschlossenes Restaurant vermietet gewesen. Im mittleren Gebäude hielt sich noch ein Geschäft für Haushaltswaren. Der Laden in dem dritten war schon so lange aufgegeben, dass ich die Branche nicht mehr feststellen konnte. Seitlich neben den Schaufenstern hatte jedes Gebäude eine unauffällige schmale Haustür. Neben zwei dieser Türen waren Klingelbretter angebracht, die mehrere Apartments bedeuteten. Die Haustür neben dem alten Restaurant wies nur eine Klingel auf, was auf einen einzelnen Mieter für alle vier Etagen schließen ließ.
Lila Hoth war keine ukrainische Milliardärin aus London. Das war eine Lüge gewesen. Also hatte sie unabhängig davon, was sie wirklich war, nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung. Sicher großzügig, damit sie sich bei Bedarf im Four Seasons einmieten konnte, aber vermutlich nicht unbegrenzt. Und Stadthäuser in Manhattan kosten mindestens zwanzig
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