Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
verbieten. Wissen Sie, wer sie sind?«
»Sie haben keine Ausweise vorgezeigt. Heute nicht, aber auch schon beim ersten Mal nicht, als sie aufs Revier gekommen sind, um mit Ihnen zu reden.«
»Aber?«
»Wer zu einer Truppe gehört, die gewohnheitsmäßig keinen Ausweis vorzeigt, verrät sich eigentlich selbst. Wir haben alle möglichen Geschichten gehört.«
»Wer sind sie also?«
»Sie sind direkt dem Verteidigungsminister unterstellt.«
»Logisch«, sagte ich. »Meistens ist der Verteidigungsminister der dümmste Kerl in der Regierung.«
Lee sah wieder zu der Kamera, als hätte ich sie beleidigt. Als wäre sie schuld daran, dass sie beleidigt worden war. Ich sagte: »Keine Sorge. Diese Typen sehen wie ehemalige Soldaten aus, was bedeutet, dass sie bereits wissen, wie dumm ihr Minister ist. Trotzdem hat er einen Kabinettsposten, was bedeutet, dass diese Männer letztlich für das Weiße Haus arbeiten.«
Lee fragte: »Wissen Sie, was die wollen?«
»Teilweise.«
»Erzählen Sie’s uns lieber nicht.«
»Auf keinen Fall«, sagte ich.
»Aber ist die Sache groß genug fürs Weiße Haus?«
»Potenziell schon, denke ich.«
»Scheiße.«
»Wann haben die Kerle Sie abgeholt?«
»Heute Nachmittag. Kurz vor zwei. Ich habe noch geschlafen.«
»Sind sie mit Polizeibeamten aufgekreuzt?«
Lee nickte. Ihr Blick zeigte, dass sie leicht gekränkt war.
Ich fragte: »Haben Sie die Kollegen gekannt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wichtigtuer von der Terrorabwehr. Machen ihre eigenen Regeln und bleiben unter sich. Sie fahren den ganzen Tag mit Spezialautos herum. Manchmal mit angeblichen Taxis. Einer vorn, zwei hinten. Haben Sie das gewusst? In großen Kreisen, die Tenth Avenue hinauf, die Second hinunter. Wie früher die B-52 am Himmel patrouilliert haben.«
»Wie spät ist’s jetzt? Ungefähr sechs nach sechs?«
Sie sah auf ihre Uhr und machte ein überraschtes Gesicht.
»Exakt«, sagte sie.
Ich wandte mich nach links.
»Jake?«, fragte ich. »Was ist mit Ihnen?«
»Mich haben sie zuerst geholt. Ich bin seit Mittag hier. Hab Ihnen beim Schlafen zugesehen.«
»Irgendeine Nachricht von Peter?«
»Nichts.«
»Das tut mir leid.«
»Sie schnarchen, wissen Sie das?«
»Ich war voller Gorillatranquilizer. Aus einem Narkosegewehr.«
»Soll das ein Witz sein?«
Ich deutete auf den Blutfleck an meiner Hose, dann auf den am Oberarm.
»Total verrückt«, meinte er.
»Sie waren wohl im Dienst?«
Er nickte. »Der Dispatcher hat meinen Wagen in die Zentrale zurückgerufen, und sie haben dort auf mich gewartet.«
»Ihr Department weiß also, wo Sie sind?«
»Nicht genau«, antwortete er. »Aber es weiß, wer mich mitgenommen hat.«
»Das ist immerhin etwas«, sagte ich.
»Eigentlich nicht«, entgegnete er. »Das Department würde keinen Finger für mich rühren. Wird man von solchen Kerlen abgeholt, ist man plötzlich aussätzig. Man gilt sofort als irgendwie schuldig. Die Kollegen haben bereits angefangen, von mir abzurücken.«
Lee sagte: »Wie wenn die Innenrevision bei jemandem anrückt.«
Ich fragte sie: »Warum ist Docherty nicht hier?«
»Er weiß weniger als ich. Tatsächlich hat er sich größte Mühe gegeben, weniger als ich zu wissen. Ist Ihnen das nicht aufgefallen? Er ist ein alter Stratege.«
»Er ist Ihr Partner.«
»Heute ist er’s noch. Nächste Woche wird er vergessen haben, dass er jemals eine Partnerin hatte. Sie wissen, wie so was läuft.«
Jake sagte: »Hier gibt’s nur drei Zellen. Vielleicht ist Docherty anderswo untergebracht.«
Ich fragte: »Haben die Männer schon mit Ihnen gesprochen?«
Beide schüttelten den Kopf.
Ich sagte: »Machen Sie sich Sorgen?«
Beide nickten, und Lee wollte wissen: »Sie etwa nicht?«
»Ich schlafe gut«, sagte ich. »Aber ich glaube, dass das hauptsächlich an den Tranquilizern liegt.«
Um achtzehn Uhr dreißig brachten sie uns Essen. Fertig gekaufte Sandwichs in aufklappbaren Plastikbehältern, die auf die Seite gedreht und durch die Gitter geschoben wurden. Dazu Wasser in Flaschen. Ich trank erst mein Wasser und füllte die Flasche aus dem Wasserhahn nach. Mein Sandwich war mit Käse und Salami belegt. Die beste Mahlzeit meines Lebens.
Um neunzehn Uhr wurde Jacob Mark zum Verhör abgeholt. Keine Handschellen. Keine Ketten. Theresa Lee und ich saßen durch Gitterstäbe getrennt ungefähr zweieinhalb Meter voneinander entfernt auf unseren Feldbetten. Wir redeten nicht viel. Lee wirkte deprimiert. Einmal sagte sie: »Ich habe ein paar gute
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