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Underground

Titel: Underground Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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graue Material musste also sowohl eine Art von Tarnung als auch eine Art von Fessel darstellen. Oder war Letzteres nur ein zufälliges Nebenprodukt?
    Je eingehender ich die Netze betrachtete, desto wahrscheinlicher kam mir meine zweite Überlegung vor. Die grauen Fäden dienten Sisiutl als Tarnung. Wahrscheinlich verbarg er sich auch selbst in seinem Netz und konnte auf diese Weise scheinbar seine Gestalt verändern, wenn er durch Zeiten und Räume glitt. Er war schließlich klug genug, um auch den Zugang zu diesem Ort mit seinen Fäden zu bedecken.
    »Das hier ist seine Höhle«, sagte ich.
    »Was?«, fragte Quinton ungläubig.
    »Diese Fäden …«
    Er unterbrach mich. »Welche Fäden?«
    »Dieser magische Stoff, den ich bisher an allen Orten gefunden habe, wo Sistu gewesen sein muss. Ich habe dir doch davon erzählt. Hier sind die Fäden überall, und der
arme Kerl ist auch davon bedeckt. Deshalb glaube ich, dass wir uns in seiner Höhle befinden. Sistu verdeckt sie mit seinem Netz. Deshalb konntest du das Loch nicht erkennen, bis ich das Netz weggerissen habe. Und wie gesagt – auch Felix ist völlig darin verstrickt. Ich vermute, dass sein Geist deshalb nicht fortkann. Die magischen Fäden halten die Energie in seinem toten Körper gefangen.«
    »Worauf wartest du dann noch? Befreie ihn doch endlich davon!«
    Ich hatte zwar keine Lust, bei dieser Prozedur wieder einen Zuschauer zu haben, aber mir blieb nichts anderes übrig. Schließlich wussten wir nicht, wann Sisiutl zurückkehren würde, um seine Mahlzeit zu verspeisen. Allein die Vorstellung, Felix zurückzulassen, damit er dann durch die Zähne des Monsters aus dem Gefängnis seines verwesenden Körpers befreit wurde, trieb mich an.
    »Mist, Mist, Mist«, murmelte ich. Das kalte Wasser ließ mich erneut zittern. Ich musste die Fäden von dem Zombie lösen, um einen besseren Blick auf seine eigenen Energiestränge werfen zu können. Als ich versuchte, sie mit meinen Händen beiseitezuziehen, stellte ich allerdings fest, dass das Netz dicht gewoben war und sich nicht so leicht auseinanderreißen ließ. Das Material schien diesmal geknotet und nicht wie die Fäden einer Spinne gesponnen worden zu sein. Ich musste die Knoten also entweder lösen oder eine Möglichkeit finden, sie zu durchtrennen.
    Für einen Moment überlegte ich fieberhaft, was ich tun konnte.
    Knoten … Da war doch was …
    Plötzlich fiel mir wieder Ella Grahams Feder ein. Sie hatte behauptet, dass mir die Feder helfen würde, die Toten
zu öffnen … Nein, sie hatte sogar gesagt, dass ich mit Hilfe der Feder die Knoten toter Dinge lösen könne!
    Die alte Frau hatte die Weltwirtschaftskrise durchlebt und den Zweiten Weltkrieg überstanden. Sie hatte schon früh lernen müssen, was es bedeutete, mit wenig zurechtzukommen. Wahrscheinlich hatte sie neue Kleidung und andere Dinge aus alten Stücken fabriziert, indem sie mit einer Nadel geduldig die alten Stoffe aufgetrennt hatte. Vielleicht musste also auch ich die Fasanenfeder dazu benutzen, die Knoten in Sisiutls Falle zu lösen? Fasanen richten stets ein Auge auf den Tod und eines auf das Leben. Besaß die Feder also tatsächlich eine Affinität zum Grau, wie Ella Graham das angedeutet hatte? Es war zwar eine verrückte Idee, aber war nicht auch das Grau unvorstellbar? Manchmal funktionierte schließlich genau das, was auf den ersten Blick verrückt wirkt.
    Ich hatte die Feder noch immer in meiner Jackentasche und zog sie jetzt heraus. Sie war etwas geknickt und nass geworden, schien aber ansonsten noch in Ordnung zu sein. Obwohl ich mich idiotisch fühlte, hielt ich sie mit zwei Fingern an ihrem Kiel fest und strich dann mit der weichen Seite über den Kopf des Zombies.
    Das graue Netz lockerte sich ein wenig. Ich strich erneut darüber. Nun gingen die Fäden auf und fielen ab. Die Säume des Gewebes lösten sich fast wie Laufmaschen in einem Nylonstrumpf. Immer wieder strich ich darüber, bis das Netz völlig lose war. Dann zog ich die letzten Fäden mit der Hand beiseite. Der Körper des Untoten wurde nun weicher und schlaffer. Das Netz blieb an manchen Stellen jedoch noch immer so fest, dass ich es nicht abziehen konnte.
    Quintons Lichtstrahl zitterte. »Ich glaube …«, begann er heiser.

    Von Ferne war Wasserrauschen zu hören.
    »Ich glaube, irgendetwas nähert sich …«
    Schnell, schnell …
    Für einen Moment befürchtete ich, mein Gehirn würde versagen. Ich musste die Sache beenden und so schnell wie möglich aus diesem Wasser

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