Underground
später zusammen, als gerade der erste Stock errichtet wurde. Es wunderte mich nicht mehr, dass man die Gegend schließlich in einen Park umgewandelt hatte, da auf den Gebäuden ein Fluch zu liegen schien.
Zwischen diesen beiden Unfällen entdeckte ich noch mehrere Todesfälle mit ähnlichen Begleiterscheinungen. Nachdem jedoch das zweite Gebäude eingestürzt war, hatten die Todesfälle aufgehört. Ich konnte mir nicht vorstellen, was dieses Ende herbeigeführt haben mochte – auch das zweite Haus war wieder wegen angeblich schwacher Pfeiler in sich zusammengefallen -, aber ich wusste aus Erfahrung, dass etwas Magisches durchaus dazu in der Lage war, ein Haus zum Einsturz zu bringen. War das etwa der Grund für die Katastrophe beim zweiten Bau?
Beim Weiterlesen stellte ich fest, dass die Geschichte jener Zeit viele seltsame Ereignisse aufwies, die sich nicht so recht erklären ließen. So beschloss die Stadt, die Stra ßen, aber nicht die Bürgersteige anzuheben, was zu den eigentümlich tiefen Korridoren führte, die ich im Grau besucht hatte. Außerdem kam es zu einem sogenannten »versehentlichen Freitod« eines Fußgängers, der aus Versehen in den Graben des Bürgersteiges stürzte.
Es gab noch andere merkwürdige Vorfälle, doch die Signatur
des Monsters zeigte sich erst wieder bei einem Wanderarbeiter namens Charles Orlanda im Jahr 1949. Ich nahm an, dass es sich bei ihm um Chuck-o handelte. Seine Leiche wurde am anderen Ende der Occidental Avenue gefunden, ganz in der Nähe des heutigen Fußballstadions, wo es während des Erdbebens einige Rohrbrüche gegeben hatte. Das Ganze musste also einen Block oder sogar weniger von dem alten Duncan & Sons stattgefunden haben, vor dem die lebensgroße Statue eines Pferdes stand.
Quinton setzte sich neben mich und strich mit der Hand flüchtig über meinen Rücken. Er riss mich so aus meinen Gedanken, und ich hörte für einen Moment auf, mir zu überlegen, was wohl unter den Straßen der Stadt lebte und sich von Menschen ernährte.
»Über Sistu gibt es nicht viel«, erklärte er. »Anscheinend stehen viele Nachschlagewerke über die Indianer und ihre Legenden in der Ballard -Bibliothek. In den anderen Archiven gibt es keine Aufzeichnungen solcher Vorfälle aus anderen Teilen der Stadt oder der Umgebung. Es scheint also ein rein lokales Phänomen zu sein, und auch die Regierung hat wohl nicht ihre Finger mit im Spiel.«
»Warum sollte die Regierung …«, begann ich.
In diesem Moment ertönte eine Stimme aus den Lautsprechern und erklärte, dass die Bücherei in fünf Minuten schließen würde. Ich setzte erneut an, um meine Frage zu stellen, aber Quinton wollte offenbar nicht antworten. Also sammelte ich meine Notizen zusammen, zog meine Jacke an, und wir marschierten wieder in die Kälte hinaus.
»Die Regierung stellt alle möglichen seltsamen Nachforschungen an«, erklärte Quinton draußen. »Deshalb habe ich vorsichtshalber eine alte Informationsquelle angezapft,
um herauszufinden, ob sie das vielleicht auch in unserem Fall getan hat. Aber ich konnte nichts finden. Was hast du in Erfahrung gebracht?«
»Nicht so viel, wie ich gehofft hatte«, gab ich seufzend zu. »Aber es scheint sich tatsächlich alles in dieser Gegend abgespielt zu haben. Und zwar auf der unteren Stra ßenebene südlich von hier. Früher wurde die Straße Mill Street genannt, doch nach dem Wiederaufbau nannte man sie dann Yesler Way. Den ersten Todesfall, der etwas mit unseren Toten zu tun haben könnte, gab es kurz nach dem Feuer. Auf der Washington Street stürzten zwei Gebäude ein – nördlich des Ziegelbruchs. Es gab mehrere Tote in der Gegend, von der Washington Street bis zu Royal Brougham. Und zwar zwischen April – als das erste Gebäude einstürzte – und Mai, als das zweite zusammenbrach. Ich habe keine Ahnung, warum es dann aufhörte. Aber nach dem zweiten Kollaps herrschte Ruhe. Die Leiche, die am südlichsten Punkt lag, wurde an dem Tag gefunden, als das zweite Gebäude einstürzte. Man entdeckte sie auf einer Müllhalde, die sich an derselben Stelle befand wie jetzt das Hotel, das gerade Ecke Occidental Avenue und Royal Brotham errichtet wird. Offenbar wurde die Gegend eine ganze Weile lang als Müllhalde benutzt. So hat man zum Beispiel den ganzen Schutt nach dem Feuer dorthin gebracht. Es war übrigens auch weder die erste noch die letzte Leiche, die man an dieser Stelle entdeckt hat.«
»Ich wette mit dir, dass dieser Ort bei der Unterwelt von Seattle ähnlich
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