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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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wie ich es ihm am besten beibringe. Also wähle ich den direkten Weg. «Papa ist hier.»
    Er wird ganz still, dann dreht er sich zu mir um und sieht mich an, als ob er wirklich einen Hörtest machen sollte. «Hast du gesagt, Papa ist hier?»
    «Vor zehn Minuten ist er gekommen.»
    Wie lange hat er unseren Vater schon nicht mehr gesehen? Wie alt war er da? Elf? Jeffrey war noch nicht mal zwei, als Papa uns verlassen hat, nicht alt genug, um sich an irgendetwas zu erinnern außer an die paar Besuche bei ihm, die Geburtstagskarten mit Bargeld drin, die Geschenke, die normalerweise üppig ausfielen (wie Jeffreys Truck, den er dieses Jahr von Papa zum Geburtstag bekommen hat), die spärlichen Anrufe, die üblicherweise kurz waren.
    «Komm einfach runter», sage ich zu ihm.
    Wir kommen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Papa sich am Teekessel verbrennt. Er flucht nicht, er springt nicht zurück oder so was. Er mustert seinen Finger, als ob ihn der Vorfall neugierig gemacht hat. Auf seiner Haut ist keine Wunde zu sehen, nicht mal eine rote Stelle, aber gespürt muss er es haben. Er füllt Mamas Teetasse, stellt sie auf eine zierliche Porzellanuntertasse und legt ein paar Vanilleplätzchen dazu, die er in der Speisekammer gefunden haben muss. Zwei Stück Zucker in den Tee. Einen guten Schuss Sahne. Genau, wie sie es mag.
    «Oh, da seid ihr ja», sagt er, als er uns sieht. «Hallo, mein Sohn.»
    «Was machst du hier?» Jeffreys Stimme klingt scharf, beinahe krächzend. «Wer bist du?»
    Papas Gesichtsausdruck wird ernst. «Ich bin dein Vater.» Das lässt sich unmöglich leugnen, wenn man die beiden so dicht beieinander sieht. Jeffrey ist die etwas kleinere, etwas kompaktere Kopie von Papa. Sie haben das gleiche Haar, genau die gleichen Augen.
    «Kommt, wir gehen zu eurer Mutter», sagt Papa. «Sie wird alles erklären.»

    Sie braucht den ganzen Tag dafür, weil sie nicht die Kraft hat, die ganze Geschichte auf einmal zu erzählen. Dazu kommt, dass wir ständig unterbrochen werden, erst von Billy, die hereinplatzt und Papa knuddelt wie einen Teddybär, ihn Mikey nennt und eine Weile ganz weinerlich ist, weil sie sich so für Mama freut. Sie wusste es, natürlich. Die ganze Zeit hat sie Bescheid gewusst. Aber so was überrascht mich schon lange nicht mehr.
    Dann kriegt Jeffrey immer mal wieder einen Rappel und rennt aus dem Zimmer. Als ob er das Ganze nur häppchenweise erträgt und ständig rausläuft, weil er denkt, ihm platzt sonst noch der Kopf. Zum Beispiel, als Mama sagt, dass sie immer schon gewusst hat, dass Michael und sie (mein Vater heißt Michael, aber den Namen haben wir während der vergangenen vierzehn Jahre fast nie von ihr gehört), dass also Michael und sie füreinander bestimmt waren. Und schon springt Jeffrey auf, rauft sich die Haare, nickt oder brummelt irgendwas Unverständliches, dann läuft er raus. Wir müssen warten, bis er zurückkommt, bevor sie weitererzählen kann.
    Es ist eine irre Geschichte, die sie da erzählt. Sie beginnt am Tag des großen Erdbebens in San Francisco. Da sind Papa und sie sich zum ersten Mal begegnet. Als sie dann zu dem wirklich sensationellen Teil der Geschichte kommt, ist mir längst klar, dass Papa der Engel ist, der sie an dem Tag gerettet hat, derjenige, der ihr zeigte, dass sie etwas Besonderes ist. Ein Engelblut. Da war sie sechzehn. Und als sie neunundneunzig war, hat sie ihn geheiratet.
    «Wie?», frage ich sie.
    Sie lacht. «Was meinst du mit ‹wie›? Wir sind in die Kirche gegangen, haben die bewussten Worte gesprochen, die Ringe getauscht und dann: ‹Sie dürfen die Braut jetzt küssen›, das volle Programm.»
    «So was durfte er tun? Ein Engel kann heiraten, wen er will?»
    «Es ist kompliziert», antwortet sie. «Und kommt selten vor. Aber ja, ein Engel darf heiraten.»
    «Aber wieso habt ihr euch dann scheiden lassen? Wieso ist er weggegangen?», fragt Jeffrey mit deutlich spürbarem Trotz.
    Mama seufzt. «Ein Engel bleibt immer ein Engel. Engel haben Pflichten, Aufgaben, die ihre ständige Aufmerksamkeit erfordern. Dein Vater wurde beurlaubt, für sieben Jahre, in denen er in Realzeit bei mir bleiben und ein menschliches Leben führen durfte. Mich heiraten durfte. Sehen konnte, wie ihr zwei zur Welt kamt, und Zeit mit euch verbringen durfte. Dann musste er zurück.»
    Aus irgendeinem Grund bringt mich das fast zum Weinen. «Ihr seid also nicht geschieden?»
    Sie lächelt. «Nein. Wir sind nicht geschieden.»
    «Aber du hast ihn nie gesehen in dieser

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