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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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ist. Schwungvoll werfe ich die Weißwäsche in die Waschmaschine und gebe etwas Bleichmittel dazu, und ich spüre eine solche Schwere und eine derartige Angst, dass ich am liebsten schreien und dieses stille Haus mit meinem Lärm füllen würde. Es ist nicht der Kummer eines anderen Menschen, nicht der eines Schwarzflügels, es ist mein eigener. Es kommt von mir selbst.
    Ich gehe in mein Zimmer, um mich an die Hausaufgaben zu machen, und ich bin traurig.
    Ich telefoniere mit Wendy, und ich bin traurig. Sie freut sich schon total auf die Uni, redet die ganze Zeit davon, wie wohl die Zimmer im Studentenwohnheim an der Washington State University sein werden, wie toll es wohl wird, und ich bin traurig. Ich versuche mitzuspielen, so zu tun, als würde ich mich auch freuen, aber ich bin einfach nur traurig.
    Traurig, traurig, traurig.
    Einige Zeit später meldet sich die Waschmaschine. Ich nehme die Wäsche raus und stecke sie in den Trockner. Ich hänge bis zu den Ellbogen in feuchter Wäsche, als sich die Traurigkeit auf einmal lichtet. Stattdessen spüre ich eine unglaubliche, alles durchdringende Freude, einen Wirbel wahren Glücks, das so überwältigend ist, dass ich am liebsten laut herauslachen würde. Ich halte mir die Hand vor den Mund, schließe die Augen und lasse mich von den Gefühlen überschwemmen. Ich verstehe nicht, wieso. Aber irgendetwas Seltsames passiert gerade.
    Vielleicht breche ich unter dem ganzen Druck nun doch zusammen.
    Es klingelt an der Tür.
    Ich lasse Jeffreys Unterhose im Waschraum auf den Fußboden fallen und laufe die Treppe hinunter zur Haustür. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um durch das kleine Fensterchen ganz oben an der Tür zu schauen. Ich halte den Atem an.
    Es steht ein Engel auf meiner Türschwelle. Ich spüre ihn. Ein Engel . Ein Weißflügel, um ganz genau zu sein. Ein hochgewachsener, goldhaariger Mann, der eine solche Liebe verströmt, dass sie mir eine ganz andere Art von Tränen in die Augen treibt.
    Ich reiße die Tür auf.
    «Papa?»
    Er dreht sich zu mir um und lächelt, ein leicht naives, schiefes Grinsen, an das ich bis zu diesem Moment überhaupt nicht mehr gedacht hatte. Wortlos starre ich ihn an, nehme wahr, wie die Sonne von diesem ganz entschieden überirdischen Licht seines Haars reflektiert wird. Ich mustere sein Gesicht, das keinen Tag gealtert ist, seit ich ihn vor vier Jahren das letzte Mal sah, überhaupt nicht in all meinen Erinnerungen an ihn. Er hat sich nicht verändert. Wieso habe ich das nicht schon vorher bemerkt?
    Er ist ein Engel.
    «Kriege ich keine Umarmung?», fragt er.
    Wie ein Zombie bewege ich mich in seine Arme.
    Und das hätte ich an Gefühlen in diesem Moment erwartet: Überraschung. Verblüffung. Verwirrung. Komplett umgehauen zu sein von der schieren Unmöglichkeit dieser Vorstellung. Aber alles, was ich im Moment fühle, ist seine Freude. Wie rosafarbene Vorhänge, wie ich, von Papa hochgehalten, in der Luft schwebe. Diese Art Freude. Er drückt mich fest, hebt mich hoch, lacht, dann setzt er mich wieder ab.
    «Ich hab dich vermisst», sagt er.
    Er ist überwältigend attraktiv. Genau wie Samjeeza, so als wäre er ein Abguss der perfekten männlichen Gestalt, gemeißelt wie eine Statue, aber im Gegensatz zu Samjeezas dunkler Schönheit ist Papa von strahlendem Gold. Goldfarbenes Haar. Goldfarbene Haut. Silbern glänzende Augen, die gleichzeitig kühl und warmherzig zu sein scheinen, etwas Uraltes liegt in ihnen, so viel Wissen in ihren Tiefen. Und wie Samjeeza ist er alterslos, sodass man ihn für zwanzig, dreißig oder vierzig halten könnte, je nachdem, aus welcher Entfernung man ihn betrachtet.
    Wie kann dieser Mann der verlegene abwesende Vater dieser ganzen gequälten Telefonate der letzten Jahre sein?
    «Papa …», sage ich. «Wie?»
    «Die Zeit für Erklärungen wird kommen. Aber jetzt bringst du mich bitte erst mal zu deiner Mutter, ja?»
    «Klar.» Ich trete zurück in den Flur, sehe diesen schimmernden, breitschultrigen Mann unser Haus betreten, mit Bewegungen so flüssig und anmutig, so eindeutig nicht menschlich. Und da ist noch etwas anderes an ihm, etwas, das mich ihn in zwei Schichten sehen lässt, wie diesen menschlichen Anzug, den Samjeeza trägt; da ist etwas Verwaschenes um ihn, wenn er sich bewegt. Bei Papa scheinen die beiden Schichten fester zu sein, über ihm zu schweben. Ich kann nicht sagen, welche sein wahres Ich und welche sein Anzug ist.
    Wieder lächelt er. «Ich weiß, das kommt ziemlich

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