Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
ganzen Zeit?»
«Er ist gelegentlich zu Besuch gekommen. Einmal im Jahr, vielleicht zweimal, wenn wir Glück hatten. Damit mussten wir uns zufriedengeben.»
«Und uns beide konnte er nicht besuchen?» Das kommt wieder, mit sehr viel Wut, von Jeffrey. Er nimmt sie nicht gerade sehr gut auf, diese ganze Geschichte von wegen: Dein Vater ist ein Engel. Ich nehme an, er spürt nicht wie ich diese unglaubliche Freude. «Seine eigenen Kinder?»
«Ich wünschte, das wäre möglich gewesen», sagt Papa von der Tür zu Mamas Zimmer her. So was macht er eben. Erscheint einfach so. Schon unheimlich.
Er kommt rein und setzt sich neben Mama aufs Bett, nimmt ihre Hand. Ständig berühren sie sich, wie mir auffällt. Ständig haben sie Körperkontakt.
«Wir haben entschieden, dass es das Beste ist, wenn ich euch nicht mehr besuche. Das Beste für euch», sagt Papa.
«Wieso?»
«Weil ich nur, solange ihr klein wart, verbergen konnte, was ich bin. Damals ist euch nichts Ungewöhnliches an mir aufgefallen, und falls doch, dann habt ihr nicht genug gewusst, um zu begreifen, dass es ungewöhnlich war. Aber je älter ihr geworden seid, desto schwieriger wurde es. Als ich euch das letzte Mal sah, konntet ihr meine Gegenwart jedenfalls schon deutlich spüren.»
Daran erinnere ich mich noch. Es war am Flugplatz. Ich sah ihn und spürte seine Freude. Und dachte, ich wäre hoffnungslos übergeschnappt.
«Aber ich habe euch immer aus der Ferne beobachtet», sagt er. «Euer ganzes Leben über bin ich bei euch gewesen, auf die eine oder andere Art.»
Na schön, damit ist er also wahr geworden, der Wunschtraum aller Kinder von geschiedenen Eltern. Es hat sich herausgestellt, dass meine Eltern sich doch noch lieben. Sie wollen zusammen sein. Die ganze Zeit über wollte mein Vater bei mir sein.
Aber es ist auch, als ob sich jemand mit einem Riesenradiergummi über meine Lebensgeschichte hermacht und sie völlig anders niederschreibt. Alles, was ich über mich zu wissen glaubte, hat sich in nur wenigen Stunden als komplett falsch erwiesen.
Jeffrey ist nicht zu besänftigen.
«Was hätte es denn ausgemacht, wenn wir gewusst hätten, was du bist?», sagt er. «Du behauptest, es war zu unserem Besten, aber das ist Blödsinn. Unser Vater ist also ein Engel? Na und?»
«Jeffrey …», sagt Mama mit warnendem Unterton.
Papa hebt die Hand. «Nein, nein, schon gut. Das ist eine gute Frage.» Ernst sieht er Jeffrey an. Er strahlt etwas Königliches aus, etwas, das Respekt verlangt, selbst wenn man ihm diesen Respekt nicht zollen will. Jeffrey schluckt und senkt den Blick.
«Es geht dabei nicht um mich. Es geht um euch», sagt Papa.
«Michael», flüstert Mama. «Bist du sicher?»
«Es ist an der Zeit, Maggie. Du wusstest, dass dieser Moment kommen würde», sagt er und streicht ihr über die Hand. Er wendet sich wieder an uns. «Ich bin ein Intangere. Eure Mutter ist ein Dimidius, ein Halbblut. Das macht dich und deine Schwester zu einer sehr seltenen, sehr mächtigen Art von Engelblutwesen. Wir nennen sie Triplare.»
«Triplare?», wiederholt Jeffrey. «So wie Dreiviertel?»
«Dies ist eine gefährliche Welt für einen Triplar», fährt Papa fort. «Diese Art Engelblutwesen sind so selten, dass man praktisch nichts über ihre Fähigkeiten weiß, aber es gibt Spekulationen darüber, dass Triplare, die schließlich mehr Engel als Mensch sind, nahezu die gleichen Fähigkeiten haben wie Vollblutengel, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied.»
«Was für ein Unterschied?», will Jeffrey sofort wissen.
«Der Unterschied ist der freie Wille», antwortet Papa. «Ihr fühlt ganz ähnliche Auswirkungen, all die Sorgen und Freuden, egal, wohin eure Taten euch führen, aber am Ende seid ihr völlig frei, euren gewünschten Weg zu wählen.»
«Und das ist gefährlich, weil …», sage ich.
«Es macht euch sehr, sehr attraktiv für die dunkle Seite. Die wenigen Triplare, die es auf der Erde gibt, sind sehr begehrt beim Feind. Unbarmherzig werden sie gejagt, und wenn sie sich nicht zur Sache des Feindes bekehren lassen, will er sie zerstören. Deshalb haben eure Mutter und ich alles dafür getan, um sicherzustellen, dass niemand die Wahrheit über euch weiß. Wir wollten nur, dass ihr in Sicherheit seid.»
«Und wieso erzählst du uns das dann jetzt?», fragt Jeffrey.
Er deutet ein Lächeln an. «Offensichtlich habt ihr inzwischen die Aufmerksamkeit des Feindes erregt. Ich denke, das war auf Dauer unvermeidlich. Wir haben immer gewusst,
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