Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
und ich entspanne mich. Ich lächle Tucker zu, der mich ansieht, als könne er nicht glauben, dass er solch ein Genie als Freundin abgekriegt hat.
Danke , sage ich wortlos zu Christian. Ich sehe rüber zu ihm. Er nickt leicht.
Mein Einfühlungsvermögen schaltet sich flackernd ein wie eine von diesen Neonröhren, die einen Moment brauchen, um die volle Leuchtkraft zu erreichen. Kummer senkt sich über mich wie eine Wolke, die sich vor die Sonne schiebt. Einsamkeit. Trennung, immer dieses Gefühl von Trennung von allem, was gut ist im Leben. Das Feld, auf dem Samjeeza steht, ist erfüllt von Sonnenschein, aber er kann die Wärme nicht aufnehmen. Er kann das frische Gras zu seinen Füßen nicht riechen, nicht den frischen Regen des Frühlingsschauers von heute Morgen. Er kann den leichten Wind nicht spüren. All das ist Schönheit, und sie gehört zum Licht. Nicht zu ihm.
Ich sollte inzwischen daran gewöhnt sein, an die Art, wie er auftaucht und in meinem Kopf spielt.
Er ist wieder da, ja? Christian wieder. Besorgt jetzt.
Wortlos bejahe ich.
Was sollen wir machen?
Nichts. Ihn nicht beachten. Wir können nichts tun.
Doch auf einmal denke ich, dass das vielleicht nicht mehr stimmt. Ich richte mich auf. Ich hebe die Hand und frage Mr Anderson, ob ich den Unterrichtsraum kurz verlassen darf; ich deute vorsichtig an, dass ich eventuell auf die Toilette muss, und zwar wegen eines Frauenproblems.
Wo willst du hin? , fragt Christian besorgt, als ich zur Tür gehe. Was hast du vor?
Keine Sorge. Ich will nur meinen Vater anrufen.
Von dem Telefon im Schulsekretariat aus rufe ich zu Hause an. Billy geht ran.
«Probleme?», fragt sie sofort.
«Kann ich kurz mit Papa sprechen?»
«Klar.» Stille, als sie den Hörer weglegt. Gedämpfte Stimmen. Schritte.
«Clara», sagt Papa. «Was kann ich für dich tun?»
«Samjeeza ist hier. Ich dachte, du könntest vielleicht was machen.»
Er schweigt einen Moment. «In einer Minute bin ich bei dir», sagt er schließlich.
Er braucht tatsächlich nur eine Minute. Ich habe kaum Gelegenheit, mich auf dem Korridor auf eine Bank zu setzen, da sehe ich ihn schon durch die Vordertür schreiten. Ich starre ihn an.
«Bist du hierher geflogen?»
«In gewisser Weise.»
«Boah.»
«Also, jetzt lass mal sehen.» In seinem Blick liegt eine Intensität, die mir vertraut vorkommt, als hätte ich diesen Gesichtsausdruck bei ihm schon gesehen. Aber wann? Ich führe ihn nach draußen, dann über den Parkplatz, hin zu dem Feld. Ich halte den Atem an, als er, ohne zu zögern, über den Zaun und auf ungeschützten Boden steigt.
«Bleib hier», befiehlt er. Ich gehorche.
Samjeeza steht in menschlicher Gestalt am hintersten Ende des Feldes. Er hat Angst. Und genau an diese Angst, so wird mir auf einmal bewusst, erinnere ich mich vom Tag des Waldbrands her. Mama hatte durchblicken lassen, dass jemand kommen und ihr beistehen würde, und in Samjeezas Vorstellung waren zwei weißflügelige Engel erschienen, der eine mit rotem Haar, der andere blond, leuchtend und entschlossen, mit flammendem Schwert in der Hand.
Mein Vater.
Samjeeza rührt sich nicht und spricht kein Wort. Er steht vollkommen reglos da, strahlt jetzt zusätzlich zu seinem Kummer Furcht aus, dazu ein Gefühl der Demütigung darüber, dass er solche Angst hat.
Papa macht ein paar Schritte auf ihn zu, bleibt dann stehen. «Samyaza.»
Der Menschenanzug, den Samjeeza trägt, erscheint fadenscheinig und falsch neben Papas kraftvollem Strahlen. Papas Haar glitzert im Sonnenlicht. Seine Haut leuchtet. Samjeeza verwelkt vor ihm, versucht aber, verächtlich zu schnauben. «Weshalb bist du hier, Fürst des Lichts? Weshalb kümmert dich dieses Schwachblutmädchen?»
In der heutigen Vorstellung hat er die Rolle des Superbösewichts übernommen.
«Ihre Mutter kümmert mich», antwortet Papa. «Das habe ich dir schon mal klargemacht.»
«Ja, und verrätst du mir jetzt, welcher Art deine Beziehung zu Margaret ist?»
Papas Freude wird schwächer. «Ich habe ihrem Vater versprochen, mich um sie zu kümmern», sagt er.
Ihrem Vater? Lieber Himmel. Noch etwas, wovon ich keine Ahnung habe.
«Ist das alles?»
«Du bist ein Narr», sagt Papa und schüttelt den Kopf. «Verschwinde von hier, und lass ab jetzt das Kind in Ruhe und die Mutter auch.»
«Wolltest du nicht sagen, die Kinder? Da ist doch noch ein Junge, hab ich nicht recht?»
«Halte dich fern von ihnen», sagt Papa.
Samjeeza zögert, obwohl ich weiß, dass er nicht die Absicht
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