Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
Menschen. Der Körper ist fest und der Geist durchlässig. Bis beide Teile sich voneinander lösen und der Körper wieder zu Staub wird und der Geist auf eine andere Ebene wechselt. Dann wird auch der Geist fest.»
    «Und was ist mit mir?», frage ich. «Was habe ich für einen Geist? Kannst du ihn sehen?»
    «Wunderschön.» Er lächelt. «Du hast einen prachtvollen Geist. Wie deine Mutter.»
    Inzwischen ist es dunkel geworden. In ein paar Metern Entfernung fängt eine kleine Grille an zu zirpen. Wir sollten fahren, denke ich. Bis nach Hause ist es noch eine gute Stunde. Aber ich stehe nicht auf.
    «Wird Mama … in den Himmel kommen?»
    Er nickt, und etwas in seinem Gesicht leuchtet auf. Er ist glücklich, wird mir klar, glücklich darüber, dass sie stirbt. Denn im Himmel wird er sie wahrscheinlich die ganze Zeit sehen können. Er ist glücklich, aber meinetwegen versucht er, dieses Gefühl zu dämpfen, versucht, das Ganze aus meiner Perspektive zu sehen.
    «Ihr Körper wird jetzt weniger», sagt er. «Bald wird sie ihn ganz aufgeben.»
    «Kann ich sie besuchen?» Hoffnung steigt in mir auf. Wir können hin und her, ich weiß das, können zwischen Himmel und Erde wechseln. Mama ist schon mindestens ein Mal im Himmel gewesen. Ich könnte auch dorthin. Es wäre nicht ganz so furchtbar, wenn ich Mama wenigstens ab und zu sehen, mit ihr reden könnte. Sie um Rat fragen und mir ihre Witze und geistreichen Bemerkungen anhören könnte. Dann würde ich sie nicht ganz verlieren.
    «Du kannst in den Himmel reisen», sagt Papa. «Als Triplar hast du die Fähigkeit, zwischen den Welten hin und her zu pendeln. Ein Dimidius braucht dazu Hilfe, aber Triplare können sich, das ist historisch gewachsen, allein auf diese Reise machen.»
    Beinahe muss ich lachen. Was für eine gute Nachricht!
    «Aber es ist unwahrscheinlich, dass du bei solch einer Gelegenheit deine Mutter sehen wirst», sagt er da. «Sie muss, sobald sie ankommt, ihre eigene Reise antreten, und du kannst sie nicht begleiten.»
    «Aber wieso kann ich das denn nicht?» Mir ist klar, dass ich mich vermutlich wie eine Dreijährige anhöre, die nach ihrer Mama schreit, aber ich kann nicht anders. Ich wische mir plötzliche, wütend machende Tränen aus den Augen. Ich springe auf, werfe den Rest meiner Eiswaffel in den Abfalleimer hinter uns.
    Er antwortet nicht, was mich nur noch verlegener macht.
    «Wir sollten fahren», sage ich. «Es werden sich schon alle wundern, wo wir bleiben.»
    Er isst den Rest seiner Eiswaffel und folgt mir zurück zum Auto. Die nächste halbe Stunde fahren wir schweigend an Farmhäusern vorbei, die in der Abendsonne glühen. Vorbei an den Umrissen von Pferden auf den Feldern, dann hinauf in den Wald, vorbei am Teton-Pass und dem Schild mit der Aufschrift DORT DRÜBEN LIEGT JACKSON HOLE. Papa scheint mir nicht böse zu sein, er respektiert offenbar nur mein Bedürfnis nach Ruhe. Ich weiß das zu schätzen, und gleichzeitig finde ich es schlimm. Ich finde schlimm, dass er es schafft, dass ich sein Schweigen zu schätzen weiß, obwohl es gleichzeitig total okay für ihn ist, einfach wieder in mein Leben zu tanzen und mir ein dickes Ding nach dem anderen zu servieren. Und dann habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich das schlimm finde, denn schließlich ist er ein Engel und geradezu der Inbegriff des Guten.
    «Tut mir leid», sage ich schließlich, als die Haarnadelkurven vor uns liegen, die nach Jackson reinführen.
    «Ich hab dich lieb, Clara», sagt er nach einer ganzen Weile. «Und ich will, dass du das spürst. Kannst du das spüren?»
    «Ja.»
    «Und ich gebe dir mein Wort, dass du deine Mutter wiedersehen wirst.»
    Ich rufe mir ins Gedächtnis, dass er der Typ ist, der niemals sein Wort bricht.

    Es ist ein stilles Abendessen, nur ich und Papa und Jeffrey sitzen am Tisch. Jeffrey schiebt hastig sein Essen rein, um möglichst schnell von uns wegzukommen, was Papa traurig macht, soweit Papa eben traurig sein kann.
    «Das war ein gutes Gespräch heute», sagt er, als wir beide zusammen das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine räumen. «Das habe ich mir schon lange gewünscht.»
    «Du hast doch immer mal wieder angerufen», erinnere ich ihn. «Wieso hast du dann, wie es schien, nie mit mir reden wollen?»
    «Ich hab mich nicht wohl dabei gefühlt, dir dieses Theater vorzuspielen», antwortet er und schaut zu Boden.
    «Du meinst, weil du mich angelogen hast?»
    «Ja. Das ist nicht meine Art. Es macht mich traurig.»
    Ich nicke. Jetzt

Weitere Kostenlose Bücher