Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
drischt auf den letzten Hering ein und versenkt ihn ganz im Boden, ehe er sich auf die Fersen zurücklehnt.
«Nichts Besonderes. Die Art, wie du auf dem Abschlussball getanzt hast», sagt er. «Die Art, wie du an dem Abend auf eurer Veranda über deine Zukunft geredet hast, als ich mich wegen der Sache auf dem Ball entschuldigen wollte.» Er sieht mich an, dann schaut er auf seine nackten Füße und lächelt. «Als ich dann wusste, dass du es bist, hab ich gespürt, dass ich mehr tun sollte, als dich nur zu retten.»
Ich gebe mir Mühe, lässig zu bleiben, aber trotzdem hämmert mein Herz wie wild. Denn tief innen drin habe ich es auch gewusst. Und das verwirrt mich an dieser ganzen Situation wohl am meisten.
Was findest du eigentlich an einem Typen wie Christian Prescott? , hatte Tucker mich gefragt, als er mich vom Abschlussball nach Haus brachte, und ich hatte geantwortet, dass ich das auch nicht so genau wisse, denn ich konnte es ihm nicht erklären. Ich kann es immer noch nicht erklären.
Tucker. Ich habe ihm nicht mal gesagt, dass ich hierherfahren werde. Ein schöner Schutzengel bin ich. Eine schöne Freundin.
«Okay», sage ich etwas zu laut. «Äh, danke, Christian, dass du mein Zelt aufgebaut hast.» Ich sammle das Werkzeug zusammen, das wir benutzt haben, tue geschäftig, klopfe mir Gras von der Hose, das eigentlich gar nicht da ist. «Angela würde sich bestimmt auch bei dir bedanken, aber ich fürchte, du bist bei ihr für eine ganze Weile in Ungnade gefallen. Keine Geheimnisse im Engelclub, weißt du noch?»
«Damit war ich von Anfang an nicht einverstanden», protestiert er. «Außerdem, Angela ist ja selbst auch nicht gerade ein offenes Buch.»
Ich überlege, was er damit wohl meint. Aber ehe ich ihn darauf ansprechen kann, ruft ihn jemand, eine Männerstimme wird von der Mitte der Wiese zu uns herübergetragen. Wir drehen uns beide um.
«Wir sollten mal hingehen», sagt Christian. «Sie haben das Feuer gemacht.» Er springt auf, dann streckt er mir seine Hand hin.
«Na komm», sagt er. «Es wird dir gefallen.»
Ich zögere nur kurz, ehe ich meine Hand in seine lege und mich von ihm hochziehen lasse, dann ziehe ich die Hand schnell zurück und gehe auf die Stelle zu, an der ich Rauch von einem großen Lagerfeuer aufsteigen sehe, das Leute mitten auf der Wiese gemacht haben.
«Na gut, dann mal her mit dem Feuer», sage ich.
Christian geht neben mir und lächelt sein leicht schiefes Lächeln.
Wag bloß nicht, sein Lächeln zu bewundern , sage ich mir.
Allerdings kann ich es nicht leugnen. Seine Hand in meiner Hand fühlte sich so vertraut an, als wäre es meine eigene.
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Sommer ohne das Zirpen der Grillen
Dicht gedrängt, Schulter an Schulter, stehe ich zwischen Mama und Angela in dem Kreis um das Lagerfeuer und sehe in die vom Feuerschein erhellten Gesichter. Billy erzählt die Geschichte von damals, als sie und Mama in den dreißiger Jahren an der Rennbahn in Santa Anita buchstäblich mit einem Schwarzflügel zusammengestoßen waren.
«Es war Asael», sagt Billy. «In einem Dreiteiler aus taubengrauem Leinen, ist das zu fassen?»
«Was habt ihr gemacht?», fragt jemand sehr leise, als könnte uns dieser üble Schurke jetzt hören.
«Na ja, einfach wegfliegen konnten wir ja schlecht», meint Billy mit bitterem Lächeln. «Es waren ja jede Menge Leute um uns herum. Aber er konnte deswegen auch nichts machen, jedenfalls nicht das, was er gern mit uns gemacht hätte. Also sind wir einfach mit unserer Limonade an unseren Platz zurückgegangen, und er ist an seinen Platz zurückgekehrt, und nach dem Rennen war er verschwunden.»
«Wir hatten Glück», sagt Mama.
«Ja, das hatten wir», stimmt Billy zu. «Obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, was er überhaupt da gemacht hat.»
«Er hat auf Seabiscuit gesetzt, wie wir alle», meint Mama.
Ein paar Leute lachen.
Billy seufzt. «Das war ein Rennen! So ein Sportereignis sucht man heute vergebens. Es ist eben alles nicht mehr so wie früher.»
«Ihr hört euch an wie zwei uralte Damen», sagt Jeffrey gutmütig, der nun mal bei keinem durchgehen lassen kann, dass sein geliebter Sport schlechtgemacht wird. Dann imitiert er die Stimme einer alten Frau: «Damals vor dem Krieg …»
Billy lacht, streckt die Hand aus und zerzaust ihm das Haar. Er wird rot. «Wir sind ja auch zwei alte Damen, mein Junge. Lass dich nicht von unserem Äußeren täuschen.» Sie legt meiner Mutter einen Arm um die
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