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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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ich nichts als die Gesichter der Leute, suchende Blicke, mitfühlende Mienen. Ich zwinge mich, meine Aufmerksamkeit auf eine einzelne weiße Rose zu richten. In schrägem Winkel fällt das Licht durch die Bäume auf diese eine kleine Rosenknospe, die sich gerade öffnen will, ein Bild von vollkommenem, strahlendem Weiß.
    Dann kommt der Kummer, eine so heftige Welle von Traurigkeit, dass ich Mühe habe, den erstickten Laut in meiner Kehle zu unterdrücken. Ich fühle mich merkwürdig distanziert, so als schwebte ich davon. Jemand tritt an die andere Seite des Sargs, räuspert sich. Es ist ein rothaariger Mann mit ernsten haselnussbraunen Augen. Es dauert einen Moment, bis ich ihn erkenne. Stephen. Ein Pfarrer oder so etwas in der Art. Er sucht meinen Blick.
    Er will wissen, ob du bereit bist , sagt Christian in meinem Kopf.
    Bereit?
    Er möchte anfangen.
    Bitte. Ja.
    Stephen nickt feierlich.
    «Liebe Anwesende», sagt er.
    Da klinke ich mich aus. Ich höre nicht mehr, was er sagt, als er mit seinem leicht irischen Akzent fortfährt. Ich bin sicher, er sagt Gutes über meine Mutter. Über ihren Witz. Ihre Freundlichkeit. Ihre Stärke. Worte, die sie nicht einmal annähernd beschreiben können.
    Ich konzentriere mich auf die Rose.
    Der Kummer schwillt an, breitet sich in mir aus wie ein zugefrorener See. Gleich werden sie den Sarg in der Tiefe versenken. Sie werden ihn mit Erde bedecken. Meine wunderschöne, lebhafte, liebenswerte Meg wird für immer verschwunden sein …
    Mein Herz macht einen Sprung. Dies ist nicht der Kummer, wie ich ihn vorher hatte. Es sind Worte, und es sind nicht meine Worte. Es ist nicht mein Kummer, es sind auch nicht meine Gefühle.
    Es ist doch ein Schwarzflügel hier.
    Samjeeza.
    Plötzlich dringt alles besonders intensiv in mein Bewusstsein. Ich spüre den Windhauch an meinen nackten Armen. Vögel singen fernab in den Bäumen. Ich rieche Kiefern, Rosen, Wildblumen. Ich suche alle Gesichter um mich herum ab; manche Leute schauen voller Trauer zurück, aber Samjeeza sehe ich nicht. Seine Gefühle drängen jetzt lärmend und überdeutlich zu mir durch. Er ist es. Da bin ich mir sicher. Er beobachtet uns aus der Ferne und erträgt es nicht, dass wir uns so nah bei ihrem Grab versammeln und Abschied nehmen können in diesen letzten Momenten, die sie oberhalb der Erde verbringt. Er hat sie geliebt, denkt er. Er hat sie geliebt, und es macht ihn wütend, dass er sie nun verliert, nachdem er all die Jahre auf sie gewartet hat. Er hasst uns. Wäre sein Hass die Sonne, würde sie uns alle zu Asche verbrennen.

    «Na schön, Leute, jetzt wollen wir uns alle wieder beruhigen», erklärt Billy und lässt den Blick über die Runde von Engelblutwesen schweifen, die sich auf der Wiese um das Lagerfeuer herum versammelt haben. «So dramatisch ist das nun auch wieder nicht.»
    «Nicht dramatisch!», ruft eine Frau ihr gegenüber. «Sie hat uns erzählt, dass ein Schwarzflügel an Maggies Grab stehen wird.»
    «Vielleicht irrt sie sich ja. Schwarzflügeln ist der Zugang zu Friedhöfen verwehrt. Es ist geweihter Boden», sagt ein anderer.
    «Aber ist auch Aspen Hill geweihter Boden? Das ist doch kein traditioneller Friedhof. Kein Kirchhof im eigentlichen Sinn.»
    «Es ist ein geweihter Ort. Es sind auch andere von uns dort bestattet», sagt Walter Prescott.
    Über flackernde Flammen hinweg sucht Christian meinen Blick.
    Ich hab mir das nicht ausgedacht , lasse ich ihn in Gedanken wissen, als praktisch die gesamte Kongregation wieder zu streiten anfängt. Er war da.
    Ich glaube dir.
    «Also bitte, Leute.» Billy hebt die Hand, und erstaunlicherweise beruhigen sich alle nach und nach. Sie lächelt mit dem Selbstvertrauen einer Kriegerprinzessin. «Wir reden hier über einen einzigen Schwarzflügel, und zwar Samjeeza, der wahrscheinlich kommt, weil er um Maggie trauert, nicht weil er kämpfen will. Wir werden alle da sein. Wir können damit fertigwerden.»
    «Ich habe schließlich an meine Kinder zu denken», sagt eine Frau förmlich. «Und die will ich nicht unnötig in Gefahr bringen.»
    Billy seufzt. Ich weiß, sie ist kurz davor, die Augen zu verdrehen. «Dann bring sie eben nicht mit, Julia.»
    «Es könnten auch mehrere Schwarzflügel sein», mutmaßt ein anderer laut. «Es ist gefährlich.»
    «Es ist immer gefährlich», lässt sich eine Stimme voller Autorität vernehmen. Es ist wieder Walter Prescott. «Schwarzflügel könnten jederzeit jeden von uns angreifen. Darüber wollen wir uns doch keine

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