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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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hätten wir Angst, wegzugleiten.
    Auf dem Nachhauseweg sprechen wir kein Wort.
    Ehe ich hierhergezogen bin, kannte ich solche Dreiecksgeschichten nur aus dem Kino oder aus Liebesromanen oder so; es gibt da ein Mädchen, nach dem alle Jungs verrückt sind, auch wenn an ihr gar nichts Besonderes zu sein scheint. Aber nein, da sind zwei Jungs, und beide müssen sie unbedingt haben. Und sie jammert die ganze Zeit: Ach, du meine Güte, wen soll ich bloß nehmen? William ist ja so einfühlsam, er versteht mich, ich finde ihn einfach umwerfend, o Gott, o Gott, jammer, jammer, seufz, aber andererseits, wie kann ich leben ohne Rafe und seine sorglose Art und seine düstere, nur ein ganz klein bisschen egoistische Liebe? Kotz, würg, stöhn. Wie unglaubwürdig, hab ich immer gedacht und mich drüber lustig gemacht.
    Tja, und jetzt stecke ich mittendrin.
    Aber Christian und ich sind einander irgendwie zugewiesen worden. Er ist ja nicht an mir interessiert, weil ich hinreißend aussehe oder so ein einnehmendes Wesen habe. Er begehrt mich, weil ihm gesagt wurde, dass er mich begehren soll. Ich habe Gefühle für ihn, weil er dieses große Mysterium für mich ist und weil mir gesagt wurde, dass ich ihn begehren soll, und das nicht nur von meiner Mutter, sondern auch von den höheren Mächten, den Leuten ganz oben, dem großen Boss. Dazu kommt noch, dass Christian echt scharf ist und dass er immer genau zu wissen scheint, was er sagen soll, und dem kann ich einfach nicht widerstehen.
    Ich stecke wirklich mittendrin.
    Aber wieso – das begreife ich nämlich nicht –, wieso kümmern sich die Leute ganz oben überhaupt darum, wen ich liebe, wo ich doch gerade mal siebzehn bin? Ich habe mir Tucker ausgesucht. Mein Herz hat seine eigene Wahl getroffen.
    Auf einmal spüre ich den Drang zu weinen, spüre den gewaltigsten Ansturm von Kummer, den ich seit langem gefühlt habe, und ich denke, ach Gott, lass mich doch bitte einfach in Ruhe, ja?
    «Geht’s euch gut?», fragt Wendy nervös vom Rücksitz.
    «Alles supi», sage ich.
    Und dann fragt Tucker: «Was ist das denn?»
    Ich trete auf die Bremse, und kreischend kommen wir zum Stehen.
    Da ist jemand mitten auf der Fahrbahn. Wartet anscheinend auf uns. Ein hochgewachsener Mann in einem langen Ledermantel. Ein Mann mit kohlrabenschwarzem Haar. Auch aus fünfzig Metern Entfernung erkenne ich ihn genau. Ich weiß, wer das ist. Ich spüre es.
    Es war also nicht mein Kummer.
    Es war Samjeezas.
    Wir sind geliefert.
    «Clara, wer ist das?», fragt Tucker.
    «Das wird übel», flüstere ich. «Alle angeschnallt?»
    Auf Antwort will ich gar nicht erst warten. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll, also handle ich rein nach Gefühl. Langsam nehme ich den Fuß von der Bremse und bewege ihn aufs Gaspedal. Dann trete ich voll durch.
    Schnell gewinnen wir an Geschwindigkeit, aber gleichzeitig bewegen wir uns wie in Zeitlupe, schleichen in einer Parallelzeit im Schneckentempo dahin, und ich umklammere das Lenkrad und konzentriere mich auf Samjeeza. Das Auto, so stelle ich mir vor, ist meine Waffe. Wenn ich ihn damit, sagen wir mal, in die nächste Woche befördere, kommen wir vielleicht ungeschoren davon, irgendwie. Das ist unsere einzige Chance.
    Tucker fängt an zu brüllen und klammert sich an den Sitz. Ich bin völlig umnebelt vor lauter Kummer, aber ich ziehe es durch. Der Lichtstrahl aus den Scheinwerfern fällt auf den Engel auf der Straße, seine Augen, in denen sich das Licht bricht, glühen wie die eines Tieres, und in diesem letzten irren Moment, ehe der Wagen gegen ihn kracht, glaube ich, dass er lächelt.

    Einen Moment lang ist alles schwarz. Weißer Staub wirbelt um meinen Kopf, von den Airbags, denke ich. Neben mir kommt Tucker zu sich, holt tief Luft. Im Dunkeln sehe ich ihn nicht allzu gut, aber auf dem Seitenfenster neben ihm erkenne ich ein hellsilbernes Netz aus gesplittertem Glas. Er stöhnt.
    «Tucker?», flüstere ich.
    Er hebt eine zitternde Hand an seinen Kopf, berührt ihn vorsichtig, dann betrachtet er seine Finger. Auf dem plötzlichen Weiß seiner Haut sieht sein Blut aus wie verschüttete Tinte. Er bewegt den Kiefer vor und zurück, als hätte ihm jemand einen Boxhieb verpasst.
    «Tucker?» Ich nehme den panischen Tonfall in meiner Stimme wahr, es klingt beinahe wie ein Schluchzen.
    «Was, zum Teufel, hast du dir dabei gedacht?»
    «Tut mir leid, Tuck. Ich …»
    «O Mann, du bist voll auf dem Airbag gelandet, was?», fragt er. «Was ist mit dir? Bist du

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