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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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Angela mich an. «Clara, was für ein Friedhof?»
    Ich kann es ihr genauso gut erzählen.
    «Mein wiederkehrender Traum ist eine Vision. Dieser seltsame Wald mit den Stufen, das ist der Friedhof in Aspen Hill. Ich befinde mich an einem Grab. Zuerst dachte ich, Tucker ist derjenige, der stirbt, denn er ist nicht da, in meiner Vision, aber dann hat es sich herausgestellt, dass es meine Mutter ist.»
    Sie fährt sich mit der Hand an den Kopf, als hätte ich ihr den Verstand herausgeblasen. «Wie hast du das rausgefunden?»
    «Christian. Seine Mutter ist da begraben. Obwohl ich inzwischen auch selbst draufgekommen wäre. Es ist jetzt ziemlich offensichtlich.»
    «Also Christian hast du es erzählt.» Richtiggehend gekränkt sieht sie aus. «Christian hast du es erzählt, aber mir nicht.»
    Ich suche nach einer guten Ausrede, zum Beispiel, dass ich sie nicht von ihrer Aufgabe ablenken wollte, dass ich nichts sagen wollte, bevor ich mir sicher war, was es damit auf sich hat, dass ich es sogar meiner Mutter verschwiegen hatte, bis es nicht mehr ging, aber dann kann ich nur sagen: «He, du hast mich doch dazu gebracht, Christian von dem Traum zu erzählen.»
    «Traust du mir nicht?», fragt sie.
    Sie will noch etwas sagen, aber plötzlich ist da eine ziemliche Aufregung in der Cafeteria. Da macht einer öffentlich mit seiner Freundin Schluss, so viel ist schon mal klar, und das tatsächlich mitten in der Cafeteria. Ein Mädchen fängt an zu weinen; es ist kein hysterisches Weinen, nicht so dramatisch wie zum Beispiel das von Kay im vergangenen Jahr, aber die Leute um sie herum weichen trotzdem zurück. Da erkenne ich in dem bedauernswerten Geschöpf Kimber, die Freundin meines Bruders. Und ich sehe Jeffrey wie eine gefühllose Statue aus Stein neben ihr.
    «Jeffrey», sagt Kimber zwischen zwei Versuchen, Luft zu holen. Sie klammert sich an seine Highschool-Jacke. «Das meinst du doch sicher nicht im Ernst.»
    «Es funktioniert einfach nicht, Kimber», sagt er, und ohne ein weiteres Wort wendet er sich ab und geht zur Tür.
    Ich hole ihn ein, ehe er ganz bei der Tür ist. «Jeffrey! Du kannst ihr doch nicht vor allen anderen den Laufpass geben», flüstere ich, denn ich will nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf uns ziehen. «Komm schon.»
    «Sag mir nicht, was ich zu tun habe», sagt er bloß. Dann ist er verschwunden.
    Inzwischen haben sich Kimbers Freundinnen um sie geschart, gurren die üblichen verständnisvollen, beruhigenden Nichtigkeiten, schießen wütende Blicke in die Richtung, in die Jeffrey weitergeschlurft ist, erklären lautstark, dass er ein Arschloch ist, dass er sie gar nicht verdient, dass er derjenige ist, den man bedauern muss. Sie sagt gar nichts. Sie sitzt am Tisch, mit hängenden Schultern, das reinste Bild des Elends.
    Ich gehe zurück zu meinem Tisch. «Was ist bloß mit ihm los?», fragt Angela. «Oder willst du mir das auch nicht erzählen?»
    Autsch. «Er verkraftet das nicht so gut, das mit meiner Mutter.»
    «Tja, verständlich», sagt sie mit einem Aufblitzen von Mitleid im Blick. «Trotzdem, zu schade. Kimber ist eine Süße. Das war ziemlich … kalt.»
    Ich weiß noch, wie einmal, Jeffrey und ich waren noch klein, ein Vogel bei uns zu Hause gegen ein Fenster flog. Es war Samstagvormittag, wir haben Zeichentrickfilme im Fernsehen geguckt, und auf einmal: rumms . Jeffrey rannte raus, weil er sehen wollte, was los war. Er hob den Vogel auf, hielt ihn sacht in den Händen und fragte mich, ob wir ihn nicht wieder heil machen könnten, irgendwie. Es war ein Star, und sein Hals war gebrochen. Er war tot.
    «Wo ist er hingegangen?», hat er gefragt, als ich versucht habe, es ihm zu erklären.
    «In den Himmel, vielleicht. Ich weiß auch nicht so genau.»
    Er wollte ihn hinten im Garten begraben, hat wie ein kleiner Pastor Sachen über das Leben gesagt, das der Vogel gehabt haben muss, wie er so frei in der Luft geflogen ist, wie seine Vogelbrüder ihn vermissen würden. Und als wir den kleinen Körper mit Erde bedeckten, hat er geweint.
    Was ist mit dem Jungen passiert, der er einmal war? Das frage ich mich und gebe mir Mühe, den Kloß runterzuwürgen, der mir in die Kehle gestiegen ist. Wohin ist er verschwunden? Und plötzlich möchte ich am liebsten weinen. Mir ist, als würde alles in unserem Leben auseinanderbrechen.
    «Also», sagt Angela. «Wir sollten reden.»
    «Ähm …» Das könnte ein Problem werden, bedenkt man, dass wir praktisch die ganze Zeit über eingesperrt sind. «Es ist so, ich

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