Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
wählen könnte, würde ich mich mit dem Vorschlaghammer über diese Stufen hermachen, würde sie kurz und klein schlagen, die kleinen Splitter einen nach dem anderen aufheben und sie im Jackson Lake an der tiefsten Stelle versenken.
    Ich würde diesen gesamten Friedhof platt walzen.
    Ich würde dieses schwarze Kleid verbrennen, das ich trage. Ich würde Mamas gute Schuhe in den Müll werfen.
    Aber das kann ich nicht. Ich bin in dem Traum, und die Kontrolle in dem Traum hat die zukünftige Clara, die kaum fühlt, dass sich ihre Füße vorwärtsbewegen. Ihre Gefühllosigkeit trägt sie wie einen Mantel um sich, in dem sie sich versteckt und der sie runterzieht, sodass jeder Schritt ihr größte Mühe bereitet. Sie denkt, dass sie weinen sollte, aber sie kann es nicht. Sie will Christians Hand loslassen, aber sie tut es nicht. Es ist, als wären wir beide gelähmt, in diesem Moment unfähig, irgendetwas anderes zu tun, als zu gehen, immer dieses schreckliche Gehen, immer weiter hinauf, zu dem Platz, an dem die Leute sich versammelt haben.
    Zu dem Loch in der Erde.
    Zum Tod. Zum Tod meiner Mutter. Und dort, an den Rändern meiner Wahrnehmung, gibt es einen Schwarzflügel, der trauert, der halb wahnsinnig vor Trauer ist und der ein tief klaffendes Loch in seinem Herzen hat.

    Es war kein Scherz, als Mama sagte, die nächste Woche würde wie Hausarrest sein. Jeden Morgen fährt Billy uns in die Schule. Immer tut sie ganz lässig, als wäre das alles nichts Besonderes, aber sie ist superwachsam.
    Ich habe angeboten, gleich ganz von der Schule abzugehen und lieber bei Mama zu bleiben, aber davon wollte sie nichts wissen. «Was wird dann aus Stanford?», witzelt sie.
    «Du hast Krebs. Ich bin sicher, die hätten Verständnis», antworte ich. Ein gutes Argument.
    Keine Chance. Meine Mutter hat da diese Marotte mit der Normalität. So lange es geht, möchte sie so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Das ist ärgerlich, denn wann sind wir je normal gewesen? Es kommt mir so sinnlos vor, so zu tun als ob. Aber sie bleibt hartnäckig. Normale Kinder gehen zur Schule. Also heißt es, ab in die Schule mit uns.
    Ich will mein Leben zurück. Ich will ins Pink Garter und mit Angela rumhängen. Ich will sonntagabends zum Essen zu den Averys, will hinten auf der Veranda mit Tucker rumknutschen. Machen das normale Menschen denn nicht? Sich mit ihren Freunden treffen? Ihrem Liebsten? Und fliegen will ich auch. Manchmal spüre ich das Vorhandensein meiner Flügel, als würden sie danach drängen, sich unter dem weiten Himmel zu strecken, als sehnten sie sich danach zu fühlen, wie der Wind mich trägt.
    «Was für ein Mist», sagt Angela am Donnerstag beim Mittagessen, vier Tage nach dem Zusammenstoß mit Samjeeza. Sie beißt große Stücke aus einem grünen Apfel und kaut geräuschvoll darauf herum. «Aber du bist immerhin von einem Schwarzflügel angegriffen worden, Clara. Lieber auf Nummer sicher gehen, sonst tut es dir hinterher leid.»
    «Ich gehe auf Nummer sicher, und es tut mir trotzdem leid.»
    Sie wirft mir einen ihrer typischen Blicke zu, der sagen soll: Schluss jetzt mit dem Blödsinn, komm mal wieder runter. «Na schön, dann lieber auf Nummer sicher gehen als tot sein.»
    «Gutes Argument.»
    «Gott, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen», ruft sie so laut, dass zwei Leute, die gerade vorbeigehen, mit fragendem Blick stehen bleiben. Sie funkelt sie wütend an, und die beiden gehen weiter.
    «Wenn es wirklich lustig wird, darf ich nie dabei sein», jammert sie leise.
    «Es war nicht lustig. Das kannst du mir glauben.»
    «Ich wette, es war wie ein Rausch. Das ganze Adrenalin. Die funkensprühenden Nerven.»
    «Seit wann bist du denn so ein Adrenalin-Junkie?», frage ich. «Und nein, es war nicht wie ein Rausch. Es war einfach nur beängstigend. Die Art ‹beängstigend›, die einen denken lässt: Hoffentlich mache ich mir nicht in die Hosen, hoffentlich sterbe ich nicht.»
    «Aber der Schwarzflügel war doch prächtig, oder? Hat er irgendwie besonders spektakulär ausgesehen? Hast du seine Flügel sehen können?»
    «Er ist kein Tier auf freier Wildbahn, Ange.»
    «Jedenfalls kein Elch, das ist klar», sagt sie und rümpft die Nase.
    «Wie ich schon gesagt habe: Es war beängstigend. Die ganze Zeit über hab ich gedacht: Ach, so ist das, deshalb ist Tucker nicht auf dem Friedhof. Samjeeza wird ihn töten.»
    Mitten beim Biss in ihren Apfel hält Angela inne. «Was für ein Friedhof?»
    O Scheiße.
    Durchdringend sieht

Weitere Kostenlose Bücher