Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Feuer in mir.
Heb Web über deinen Kopf! Jetzt! , ruft Christian mir wortlos zu, und ich überlege nicht, ich tue einfach, was er sagt, ich hebe das Baby hoch, und Christian springt über den Orchestergraben auf die Bühne, und sein Glanzschwert ist ein blendender Sprühregen aus Licht, als es von der Schulter bis zur Hüfte durch meinen Körper fährt. Ich spüre, wie es durch meine Kleidung schneidet, aber als es meine Haut berührt, ist da nur Wärme.
«Nein!», ruft jemand.
Benommen lege ich mir Web wieder an die Schulter, und in dem Moment sehe ich Lucy – die mit den Armbändern –, sie steht ein paar Meter weiter weg, ihr Gesicht eine Maske aus Wut und ungläubigem Entsetzen, und sie schreit wie ein Tier in Todesqual.
Und Olivia sinkt zu meinen Füßen nieder, tot.
Beinahe von Christians Glanzschwert in zwei Hälften zerteilt.
«Ich bring dich um!», kreischt Lucy und starrt mich mit hervorquellenden, gramgefüllten Augen an, den schwarzen Dolch hält sie in der Faust umklammert.
Doch Christian ist jetzt bei mir, neben mir, mit dem Schwert in der Hand, und ich höre die Sirenen der Feuerwehr näher kommen. Nur noch ein paar Minuten, und es wird hier von Feuerwehrleuten wimmeln.
Lucy wirft einen Blick Richtung Ausgang. «Ich schwöre, ich bring dich um, Clara Gardner.» Eine Träne stiehlt sich ihr Gesicht hinab, bleibt ein paar Sekunden an ihrem Kinn hängen, ehe sie fällt. «Und ich sorge dafür, dass du vorher leiden wirst», sagt sie. Dann dreht sie sich um und läuft den Mittelgang des Theaters hinauf, bricht durch Rauch und Flammen und hinaus auf die Straße.
Ich höre, wie sie beim Rennen schluchzt.
Ich sehe Olivia nicht an. Ich kann nicht. Ich drehe mich weg, ich muss würgen, als mir klar wird, dass ich mit ihrem Blut bedeckt bin, mein T-Shirt völlig durchnässt davon ist, meine Schultern und Arme damit bespritzt sind.
Und dabei hatte ich lange Zeit geglaubt, dieser Ort wäre sicher, denke ich. Ein Ort, an dem wir alle reden und wir selbst sein dürfen. Ein magischer Ort.
Jetzt brennt um uns herum alles nieder. Dieser Ort ist nicht mehr da.
Angela ist nicht mehr da.
Nach und nach kommt mir zu Bewusstein, dass Christian vor mir steht, er keucht, presst mit der Hand sein T-Shirt gegen die Rippen.
«Alles okay mit dir?», fragt er, drückt meine Schulter. «Hab ich dich verletzt?»
«Nein», antworte ich auf beide Fragen, dann sehe ich, dass er blutet. «Du bist getroffen.»
«Ich werde es überleben», sagt er. Im selben Moment hören wir Rufe im Foyer. «Wir müssen raus hier. Sofort.»
Wir laufen zum Hinterausgang und hinaus auf die Gasse hinter dem Theater. Kühle Nachtluft trifft auf meine Haut, meine Lungen, und ich kann wieder atmen.
«Wir müssen fliegen», sagt Christian. Er breitet seine Flügel aus, die schwarzen Flecken heben sich von seinen weißen Federn ab wie Tinte, die im Dunkeln über Papier vergossen wird.
Mein Herz ist so schwer von Furcht und Schock, von Traurigkeit wegen Anna, von Angst um Angela, von dem Bild von Olivias Tod, dass ich weiß, es wird mir nicht möglich sein zu fliegen. Ich sehe Christian an und schüttele den Kopf. «Ich kann nicht.»
Einen Moment lang schaut er auf den Boden, denkt nach, dann nickt er feierlich und zieht seine Flügel wieder ein. «Okay. Wir gehen und holen meinen Wagen. Einverstanden?»
Ich nicke.
«Hast du ihn?», fragt Christian.
Ich schaue hinunter in Webs rundes kleines Gesichtchen. Er sieht zu mir auf, aus großen bernsteinfarbenen Augen. Angelas Augen. Er hustet. Ich drücke ihn an mich.
«Ich habe ihn», sage ich, und dann rennen wir und rennen, durch die verräucherten Straßen von Jackson.
Christians Hand zittert, als er den Schlüssel ins Zündschloss steckt. Dann spannen sich seine Kiefermuskeln an, und der Truck erwacht rumpelnd zum Leben, und wir brausen vom Bürgersteig weg. Eine ganze Weile sagen wir beide kein Wort, das einzige Geräusch ist das Aufheulen des Motors. Ich will ihm sagen, dass er zu schnell fährt, dass von der Polizei angehalten zu werden das Letzte ist, was wir jetzt brauchen können – wir blutüberströmt und dann mit einem Baby auf dem Beifahrersitz, aber ich habe nicht das Herz dazu. Schließlich gibt er sein Bestes.
«Wohin fahren wir?», frage ich, als er auf die Straße einbiegt, die uns aus der Stadt hinausführen wird.
«Keine Ahnung», antwortet er. «Das Mädchen, die, die ich nicht …» Einen Moment lang schweigt er, dann holt er vorsichtig Luft, als versuche er
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