Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Ende der linken Wand, die sofort Feuer fängt. Das Licht blendet mich.
Christian wartet erst gar nicht darauf, dass sie uns sehen. «Runter!», brüllt er, sein Glanzschwert ist wie ein Leuchtfeuer in seiner Hand. Ich werfe mich im Gang zwischen den Sitzen auf den Boden, was unbequem ist, denn der Boden ist schräg. Ich schlage heftig mit dem Kinn auf, dann liege ich flach da, während Christian über mich hinwegspringt und seine Klinge gewaltig auf den schwarzen Dolch eines der Bösen Zwillinge niederfahren lässt. Die Kummerklinge splittert und zerbirst, aber das Mädchen hat eine weitere in der Hand, ehe die erste sich ganz aufgelöst hat. Sie stürzt sich auf ihn, führt Hiebe gegen seine Beine aus, aber er springt immer wieder zur Seite. Das andere Mädchen faucht und versucht, ihn in der Rippengegend zu treffen.
«Wer bist du?» Sie wirft sich nach vorn, und er wehrt mühelos ihren Schlag ab, zertrümmert ihren Dolch.
«Ein. Besorgter. Bürger. Dieser. Stadt», bringt er zwischen Schwerthieben hervor.
Mich haben sie noch gar nicht gesehen.
Ich rutsche rückwärts, bis ich mit dem Rücken gegen einen Stuhl stoße. Ich bekomme mit, wie Christian einen weiteren Schlag des zweiten Zwillings abwehrt und sich dabei schneller bewegt, als ich es je zuvor bei ihm gesehen habe. Plötzlich wirft er sich von der Seite gegen den ersten Zwilling, dreht sie und schleudert sie gegen den zweiten. Sie stolpern, fangen sich aber schnell wieder, stoßen vor. Die eine springt über eine Sitzreihe, dann eine weitere, in dem Versuch, hinter ihn zu kommen, aber er zieht sich zurück, behält sie beide vor sich. Sie kommen mir wie Schlangen vor, denke ich benommen, so fließend sind ihre Bewegungen, zielgerichtet, aufeinander abgestimmt.
Das Feuer ist inzwischen auf die schweren Vorhänge am Bühnenrand übergesprungen und erfüllt den Raum mit dichtem schwarzem Rauch, der über uns in den Dachsparren dampft. Das Baby fängt wieder an zu schreien, lauter diesmal, wütender. Die Zwillinge drehen sich in die Richtung um, aus der das Geräusch gekommen ist.
Christian wirbelt um die eigene Achse. Er steht jetzt zwischen den Zwillingen und der Quelle des Geräuschs. Er ist phantastisch mit dem Schwert, wirbelt herum, zerschneidet die Luft, hält sie in Schach, fast wie im Tanz, so viel kraftvoller, als ich es je in unserem gemeinsamen Training gesehen habe. Da ist eine Wildheit in ihm, die einem schon beim Zusehen den Atem nimmt. Aber er ermüdet allmählich. Auch das erkenne ich.
Ich muss mich aufrichten, denke ich. Ich muss mein eigenes Schwert zücken und ihm helfen.
Ich winkele die Beine an und richte mich zittrig auf.
Nein, bleib zurück , sagt Christian in meinem Kopf. Ich wehre sie ab. Such das Baby.
Web. Mein traumatisiertes Hirn müht sich ab, will sich konzentrieren. Ich muss Web holen.
Ich stolpere auf die Bühne, dann hinter die Bühne in eine der winzigen Garderoben an der Seite. Überall Stoff, ganze Bahnen davon liegen herum, Kostüme. Ich taste herum, meine Hände greifen aber nichts, das sich anfühlt wie ein Baby. Ich versuche, auf das Schreien zu horchen, aber es hat wieder aufgehört.
«Web!», rufe ich, auch wenn er mir natürlich nicht antworten kann. «Web, wo bist du?»
Ich gehe zur anderen Seite der Bühne, zu einer weiteren Garderobe, aber sie ist leer. Es ist die Seite, an der das Feuer wütet, und ich spüre förmlich, wie die Hitze zunimmt. Über mir ein knackendes Geräusch, und die Linse eines der Bühnenscheinwerfer kracht zu Boden. Ich schreie auf. Es ist dunkel hier hinten, verdammt dunkel, ich sehe fast nichts.
«Schrei noch mal, Web, schrei», rufe ich. Irgendwo über mir, nahe bei der Tür zum Foyer, höre ich Christian vor Schmerz aufschreien. Ich muss etwas tun!
Ich stolpere zur Mitte der Bühne hin. Den hellen Bogen von Christians Schwert und auch die Schatten der Zwillinge sehe ich nicht mehr. Das Foyer ist ein einziges Flammenmeer. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Bald werde ich keine Luft mehr bekommen und mir auch nicht mehr den Weg hier heraus erkämpfen können.
Aber ohne Web kann ich nicht fort.
Und da fällt mir die Versenkung ein. Angela hat uns den Mechanismus einmal gezeigt. Es ist eine Art Raum unterhalb der Bühne, gerade groß genug für eine Person, gedacht für die Situationen in einem Stück, in denen eine Figur auf wundersame Weise verschwinden muss.
Vrsnkg.
Angela hat versucht, mir mitzuteilen, wo er ist.
Schnell gehe ich zu der Stelle und entferne die Bretter
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