Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
der auf das Feuer blickte, und es war so frustrierend, denn nie konnte ich erkennen, wie er aussah. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte, Christian von vorn zu sehen.
    «Das finde ich schon noch heraus», sagt sie, als wäre es nicht so wichtig. «Aber es passiert. Genau hier. Das hier ist der Ort.»
    «Sehr aufregend», sage ich, und genau das will sie hören.
    Sie nickt, aber ich erkenne eine gewisse Sorge in ihrem Blick. Sie nagt an ihrer Unterlippe, dann seufzt sie.
    «Alles in Ordnung mit dir?», frage ich und reiße sie damit aus ihrer Versunkenheit.
    «Genau hier», sagt sie wieder, als habe diese Stelle magische Eigenschaften.
    «Genau hier», stimme ich zu.
    «Der Siebte ist einer von uns», flüstert sie.

    Auf dem Weg zurück zum Wohnheim gehen wir durch den Park mit den Papua-Neuguinea-Skulpturen. Zwischen den hohen Bäumen stehen Dutzende geschnitzter Holzpfähle und riesiger steinerner Plastiken in naivem Stil. Mein Blick fällt sofort auf eine Art primitive Version von Rodins Denker , ein nach vorn gebeugter Mann, den riesigen Kopf in die Hände gestützt, einen nachdenklichen Ausdruck im Gesicht. Oben auf seinem Kopf hockt eine riesige schwarze Krähe. Als wir uns nähern, dreht sie ruckartig den Kopf und sieht mich an. Krächzt.
    Ich bleibe stehen.
    «Was ist denn?», fragt Angela.
    «Dieser Vogel», erwidere ich und werde aus Verlegenheit leiser, als ich fortfahre, weil das, was ich nun sagen werde, reichlich albern klingen wird. «Es ist jetzt schon das vierte Mal, dass ich ihn hier sehe. Ich denke, er verfolgt mich.»
    Über die Schulter wirft Angela einen Blick zu dem Vogel hinüber. «Woher willst du wissen, dass es immer derselbe Vogel ist?», fragt sie. «Hier sind so viele Vögel, C., und Vögel benehmen sich in unserer Gegenwart immer merkwürdig. Das ist eine Tatsache.»
    «Ich weiß nicht. Es ist bloß so ein Gefühl, schätze ich.»
    Ihre Augen öffnen sich ein bisschen weiter. Du meinst, Samjeeza ist dir vielleicht hierhergefolgt? , fragt sie wortlos, was mich erschreckt. Ich hatte vergessen, dass sie in meinem Kopf sprechen kann. Spürst du Kummer?
    Sofort komme ich mir äußerst dumm vor, weil ich gar nicht daran gedacht hatte, auf den Kummer zu achten. Normalerweise überwältigt mich heftiger Kummer, wenn Sam in der Nähe ist, ohne dass ich erst daran denken müsste. Ich betrachte den Vogel, öffne langsam die Tür zu meinem Bewusstsein und warte darauf, von Samjeezas trauriger, süßer Verzweiflung überströmt zu werden. Aber ehe ich etwas jenseits meiner eigenen Angst wahrnehmen kann, krächzt der Vogel fast auf spöttische Art und flattert zwischen den Bäumen davon.
    Angela und ich starren ihm hinterher.
    «Es ist wahrscheinlich bloß ein Vogel», sage ich. Ein Schauer durchfährt mich.
    «Klar», sagt sie mit einer Stimme, die deutlich macht, dass sie nicht eine Sekunde daran glaubt. «Aber was willst du machen? Ich denke, wenn es ein Schwarzflügel ist, findest du es schon noch früh genug heraus.»
    Das denke ich auch.
    «Du solltest Billy davon erzählen», sagt Angela. «Vielleicht hat sie, na ja, keine Ahnung, irgendeinen Rat für dich. So etwas wie ein Vogelabschreckmittel.»
    Am liebsten hätte ich angesichts ihrer Wortwahl gelacht, aber aus irgendeinem Grund finde ich es doch nicht komisch. Ich nicke. «Ja, gut, ich ruf dann mal Billy an», sage ich. «Ich habe mich sowieso schon eine Weile nicht bei ihr gemeldet.»

    Ich hasse es.
    Ich sitze mit dem Handy in der Hand auf dem Bettrand. Ich habe keine Ahnung, wie Billy auf die Nachricht reagieren wird, dass ich womöglich einen Schwarzflügel gesehen habe. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie mir rät wegzulaufen – das tut man im Allgemeinen, wenn man einen Schwarzflügel sieht. So hat man es uns allen wieder und wieder eingetrichtert. Man läuft weg. Man begibt sich auf geweihten Boden. Man versteckt sich. Man kann sie nicht bekämpfen. Sie sind zu stark. Sie sind unbesiegbar. Vergangenes Jahr, als Samjeeza immer wieder bei meiner Schule aufgetaucht ist, hatten die Erwachsenen sofort mit Ausgangssperre reagiert. Die hatten echt Angst.
    Womöglich muss ich Stanford verlassen. Darauf könnte es hinauslaufen.
    Ich beiße die Zähne zusammen. Ich bin es so leid, die ganze Zeit Angst zu haben. Angst vor Schwarzflügeln und furchterregenden Visionen und dem Versagen. Es macht mich ganz krank.
    Es erinnert mich an die Zeit, als ich klein war, sechs oder sieben Jahre alt vielleicht, und eine

Weitere Kostenlose Bücher