Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
dich offiziell gerettet habe.»
«Oh. Wow. Nein», platzt es aus mir heraus.
«Ach. Du hast einen Freund, ja?», fragt er. «Natürlich hast du einen Freund.»
«Nein, eigentlich nicht … Ich meine, ich … Mein Leben ist im Moment ziemlich kompliziert … ich kann nicht … ich bin sicher, du bist ganz toll, aber …», bringe ich endlich heraus. «Tut mir leid.»
«Na ja, fragen schadet ja nicht, oder?» Er greift in seine Tasche und zieht eine Visitenkarte heraus. Er reicht sie mir. Thomas A. Lynch , steht darauf. Hauptfach Physik. Stanford University. Tutor in Mathematik und Naturwissenschaften. Dann steht da noch seine Handynummer.
«Wenn du es dir anders überlegst, wegen der Party, ruf mich an oder komm einfach», sagt er, und ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht.
Wan Chen spielt FarmVille auf Facebook, ihre große Schwäche. Sie schaut von ihrem Laptop hoch, als ich hereinkomme, ihre Augenbrauen ziehen sich zu einem kleinen verwirrten Stirnrunzeln zusammen, als sie kleine Zweige vom Wacholderstrauch in meinem Haar, meine schmutz- und blutverschmierte Jacke, meine zerrissenen Jeans sieht.
«War das mal wieder ein Tag», sage ich, ehe sie die Frage stellen kann. Ich gehe zum Waschbecken und fange an, mir das Blut und das ganze klebrige Zeug vom Gesicht herunterzuwaschen.
«Hör mal, hast du schon gehört, dass deine Freundin Angela mit diesem Sanitätertypen rummacht?», ruft Wan Chen mir zu.
Seufz. Ich kann also nicht bis Dienstag warten.
Als ich mit Waschen und Säubern fertig bin, rufe ich Angela an. Sie geht nicht ran.
«Angela Zerbino, lass es nicht drauf ankommen, dass ich hinter dir herjage. Genau das werde ich nämlich tun», spreche ich auf die Mailbox. «Ruf. Mich. An.»
Ich bin beschäftigt , textet sie ein paar Minuten später. Bleib cool. Ich melde mich später.
Ich warte eine Stunde, dann gehe ich runter auf die zweite Etage in den A-Flügel und klopfe an Angelas Tür. Robin macht auf. «Ach, hallo, Clara», sagt sie fröhlich. Sie trägt ein trägerloses Polyestertop mit blau-weißen Zebrastreifen über einem kurzen weißen Mini; das Haar hat sie zu üppigen Locken gedreht und in der Mitte gescheitelt. Sie sieht aus, als wolle sie ausgehen, und zwar im Jahr 1978 oder so.
«Ich suche Angela», sage ich zu ihr.
Robin schüttelt den Kopf. «Seit heute Morgen habe ich sie nicht mehr gesehen.» Sie sieht sich um, dann beugt sie sich zu mir vor und flüstert verschwörerisch: «Sie hat die Nacht mit Pierce verbracht.»
«Ja, das ist mir auch schon zu Ohren gekommen», sage ich verärgert. «Du solltest das Gerücht vielleicht lieber nicht weiter verbreiten, du weißt nämlich rein gar nichts über Angela.»
Sofort wird Robin rot. «Tut mir leid», sagt sie und scheint sich so aufrichtig zu schämen, dass sich mein schlechtes Gewissen meldet, weil ich ihr das so vor den Latz geknallt habe.
«Du siehst aus wie Farrah Fawcett», bemerke ich. Sie erholt sich einigermaßen und bringt ein Lächeln zustande.
«Wir gehen heute Abend alle ins Kappa-Haus; da gibt es eine 70er-Jahre-Party», erklärt sie. «Hast du nicht Lust mitzukommen?»
Das war die Party, zu der mich Thomas eingeladen hatte, und er würde da sein, wenn ich also dort aufkreuzte, würde er wahrscheinlich glauben, ich wäre an ihm interessiert. Aber dann überdenke ich meine Möglichkeiten: 1. Ich kann an einem Samstagabend in meinem Zimmer bleiben und mich mit einer Seminararbeit über Das wüste Land von T. S. Eliot abquälen, was sowieso nichts bringen wird, denn ich werde abgelenkt sein, weil ich ständig an Dad und Tucker und Jeffrey und Angela und Pierce und Christian und meine Vision denken muss. 2. … was mache ich mir da eigentlich vor? Das werde ich ganz bestimmt nicht tun. Ich muss einfach mal raus!
«Klar», sage ich zu Robin. «Dann gehe ich mal meine Plateauschuhe suchen.»
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Cola mit Rum
Die Party ist bereits in vollem Gange, als ich mit Robin eintreffe; ein Bee-Gees-Song nach dem anderen dröhnt aus den Fenstern heraus, Stroboskoplichter gehen im Gemeinschaftsraum an und aus, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich über dem Esszimmertisch eine Discokugel entdeckt habe.
Das wird lustig. Und laut. Und vielleicht genau das, was ich brauche.
«Hallo, Schönheit!», sagt der Junge von der Kappa-Bruderschaft, der die Tür aufmacht. «Wo warst du mein ganzes Leben lang?»
Er sagt, wir sollen unseren Schlüssel in ein großes Einmachglas bei der Tür legen, und
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