Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
Mädchen zu sein. Die Vorstellung führt dazu, dass er die Zähne zusammenbeißt.
«Tut mir leid», sage ich. Er verdient etwas so viel Besseres als das hier.
Er schüttelt den Kopf und geht über den Strand zurück zur Straße. Ich laufe hinter ihm her, versuche mühsam, mir beim Gehen die Schuhe anzuziehen.
«Warte doch», sage ich. «Lass uns noch nicht gehen. Es ist doch noch früh. Vielleicht können wir ja …»
«Was hätte das für einen Sinn?», fällt er mir ins Wort. «Meinst du, wir sollten das einfach beiseiteschieben und so tun, als wäre es nicht passiert? Für so was bin ich nicht geschaffen.» Wieder seufzt er. «Lass uns einfach gehen.»
Die Vorstellung der schweigsamen Fahrt zurück nach Stanford behagt mir gar nicht. «Ich komme schon allein nach Hause», sage ich und mache einen Schritt zurück. «Fahr du nur. Es tut mir leid.»
Er starrt mich an, die Hände in den Hosentaschen. «Nein. Ich sollte …»
Ich schüttele den Kopf. «Gute Nacht, Christian», sage ich, und dann schließe ich die Augen, rufe den himmlischen Glanz herbei und fliehe an einen anderen Ort.
Ich will nach Buzzards Roost, irgendwohin, wo es ruhig ist, wo ich nachdenken kann, aber als der Glanz erlischt und meine Augen sich an die Umgebung gewöhnt haben, stelle ich fest, dass ich mich in einem eher engen Raum in ziemlicher Dunkelheit befinde. In dem Moment habe ich beinahe eine Panikattacke, aber dann denke ich, dies kann nicht meine Vision, mein Untergang, sein, denn schließlich habe ich ja Christian zurückgelassen. Ich stolpere vorwärts, mit ausgestreckten Armen, taste mit dem Fuß über den Boden, atme seufzend aus, als ich entdecke, dass der Boden nicht geneigt ist. Ich stoße gegen eine Wand, rau und aus Holz, und versuche, mit langsamen, schlurfenden Schritten daran entlangzugehen. Ich laufe gegen etwas, das sich wie eine Reihe von Harken anfühlt, die an der Wand lehnen und die mit einem lauten Krachen auf den Boden fallen. Schleunigst mache ich mich daran, sie wieder aufzurichten, dann denke ich: Ach Scheiße , und rufe den Glanz herbei, damit ich meinen Weg beleuchten kann.
Ich hebe die Hand und konzentriere mich darauf, den Glanz darin erscheinen zu lassen, wie Dad es mir für das Glanzschwert erklärt hat, aber im Moment denke ich an eine Laterne, nicht an eine Klinge. Ich bin beeindruckt von mir, als ich in meiner Hand einen glühenden Ball formen kann, der sich so warm und lebendig anfühlt, dass es in meinen Fingern kitzelt. Ach, Glanz, denke ich, so nützlich – die Kraft des Allmächtigen, wenn du eine Waffe brauchst, funktioniert aber auch als praktische Taschenlampe.
Ich sehe mich um. Ich bin in einer Scheune. Einer sehr vertrauten Scheune.
Mist.
Ich gehe auf die Tür zu, vorbei an Pferdeboxen. Midas begrüßt mich leise wiehernd, seine Ohren zeigen nach vorn, er hat den Blick auf mich und den glühenden Ball in meiner Hand gerichtet. Seltsamerweise scheint er keine Angst vor meinem Licht zu haben. Vielleicht denkt er, er hat das alles schon gesehen.
«Hallo, mein Hübscher», sage ich zu ihm, strecke die freie Hand aus und streichele über seine samtige Nase. «Wie geht es dir, mein Großer? Vermisst du mich?»
Er senkt den Kopf und haucht einen feuchten, nach Heu riechenden Atemstoß auf meinen Hals, dann zwickt er mich sanft in die Schulter.
«He, lass das», sage ich lachend.
Auf einmal flutet Licht in die Scheune. Midas tänzelt zurück und wiehert besorgt. Ich wirbele herum und sehe mich dem Lauf eines Gewehrs gegenüber. Ich schreie erstickt auf und hebe die Hände, um mich sofort zu ergeben, im selben Moment löst sich mein Glanzball auf.
Es ist Tucker.
Verärgert stößt er seinen Atem aus. «Ach du meine Güte, Clara! Du hast mich erschreckt!»
« Ich habe dich erschreckt?»
Er lässt das Gewehr sinken. «Das hast du davon, wenn du dich mitten in der Nacht bei anderen Leuten in die Scheune schleichst. Hast du ein Glück, dass ich dich gehört habe, und nicht mein Dad; sonst würdest du jetzt vielleicht deinen Kopf vermissen.»
«Tut mir leid», platzt es aus mir heraus. «Ich hatte gar nicht vor, hierherzukommen.»
Er trägt seine Schlafanzughose aus Flanell und darüber einen hellbraunen Arbeitskittel in Übergröße. Er lehnt das Gewehr an die Wand und geht zu Midas, der den Kopf zurückwirft und gegen die Tür seiner Box tritt.
«Pferde mögen keine Überraschungen», sagt er.
«Offensichtlich.»
«Ist ja gut, Kumpel», sagt er, greift in die Kitteltasche und holt
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