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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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ihren Rücken, auf ihre angespannten Schultern.
    «Nein. Es ist nicht in Ordnung», sage ich. «Das ist auch seine Verantwortung. Er sollte für dich da sein. Er sollte jetzt an deiner Seite sein.»
    «Er ist ein Engel», erwidert sie. Schon sucht sie Ausreden für ihn. «Genau das ist dir doch auch mit deinem Vater passiert. Das verstehe ich jetzt. Er kann nicht die ganze Zeit bei dir sein. Er kann dich nicht immer beschützen. Es ist genau das Gleiche.»
    Es ist ganz und gar nicht das Gleiche, denke ich. Mein Vater hat meine Mutter geheiratet. Er war bei meiner Geburt dabei, war da, als ich die ersten Schritte gemacht, meine ersten Worte gesagt habe. Er hat sich um uns gekümmert, wenn auch nicht lange. Aber all das sage ich ihr nicht.
    «Ange.» Ich lege ihr die Hand auf die Schulter.
    «Fass mich nicht an», sagt sie schroff. «Bitte … Ich will jetzt nicht, dass du meine Gedanken liest.»
    Sie fängt an zu weinen. Es ist unmöglich, ihre Gefühle auszusperren. Ihre Demütigung trifft mich wie ein Schlag in den Magen. Ihre Beschämung. Ihre Angst. Ihr Kummer. Natürlich liebt er mich nicht , denkt sie. Natürlich nicht.
    Ich lege mich zu ihr ins Bett, lege ihr die Arme um die Schultern, halte sie verlegen von hinten, während sie weint. Tränen laufen mir über das Gesicht, denn ich fühle es wie sie. Eine ganze Weile bekomme ich kaum Luft, kann nicht denken – ich liege einfach nur so da.
    «Es wird alles gut», sage ich zittrig zu ihr, und ich meine es auch. Es ist jetzt ein großer Schmerz für sie, aber es ist besser so, denke ich. «Du bist besser dran ohne ihn.»
    Sie setzt sich auf, rückt von mir weg und holt tief und zitternd Luft, dann nimmt sie die Bettdecke und wischt sich damit über die Augen. So schnell, wie sie die Kontrolle verloren hat, fasst sie sich auch wieder.
    «Ich weiß», sagt sie. «Es wird alles gut.»
    Nach einer Weile legt sie sich wieder hin. Mein Herz fühlt mit ihr, aber ich traue mich nicht, sie noch einmal in den Arm zu nehmen. Ich horche auf ihren Atem, der regelmäßiger, tiefer wird, bis ich denke, dass sie eingeschlafen ist. Aber dann spricht sie.
    «Ich will nicht mehr hier sein», sagt sie. «Ich will nach Hause.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Vom rechten Pfad gelenkt die Schritte
    Am nächsten Tag meldet sich Angela Zerbino offiziell von der Universität Stanford ab. Zwei Tage später kommt ihre Mutter und packt ihre Sachen in Kartons. Ich helfe dabei, die Kartons in den Wagen zu laden, dann, als sie abfahren, stehe ich auf dem Gehweg und sehe ihnen hinterher. Angela hat den Kopf an die Scheibe gelehnt, die Augen geschlossen und fährt weg. Sie schaut nicht zurück.
    Danach kommen die Visionen häufiger, den ganzen Februar hindurch und Anfang März, mindestens ein- oder zweimal pro Woche. Ich teile meine Zeit aufs Lernen fürs Studium und auf mein Training auf; so gut es eben geht, versuche ich mich darauf vorzubereiten, in den dunklen Raum zu gehen und zu dem, was mich an Schicksal dort erwartet. Ich kaufe ein Notizbuch und fange an, jede Vision, sofort wenn sie auftritt, zu dokumentieren, und versuche, alle Einzelheiten zu vermerken, aber da ist nicht viel mehr als der Schock und die Todesangst, der Gegensatz zwischen Hell und Dunkel, die von himmlischem Glanz umgebene Silhouette von Christian, der mir zuruft: «Runter!» Nur noch das Kämpfen gegen schwarze Gestalten, die uns töten wollen, und beinahe jedes Mal komme ich bis zu dem Punkt, an dem ich weiß, dass ich ihm helfen, mein eigenes Schwert ziehen und meinen eigenen Kampf kämpfen sollte. Das ist mein Moment der Wahrheit, meine Aufgabe, aber ich bin nie lange genug in der Vision, um zu erfahren, wie ich es bewältige.
    Ich nehme an, das wird noch kommen.
    Die Lage zwischen mir und Christian ist angespannt, aber inzwischen treffen wir uns wieder jeden Morgen auf einem Pfad, der um den Lake Lag bis hinauf zur Schüssel läuft, einem riesigen Radioteleskop, das an den Hügelausläufern in die Höhe ragt. Es ist ein angenehmer, schöner Weg, über kleine, von Bäumen umstandene Lichtungen und sanft wogende grüne Hügel, bis hinauf zu einer Stelle, von der aus wir an klaren Tagen bis zur Bucht von San Francisco sehen können. Uns ist klar, dass irgendetwas vor sich geht, das bedeutender ist, als wir es sind, und wir reden, ganz sachlich zunächst, über Angela und unsere Visionen, doch allmählich münden unsere Gespräche in einen Gedankenaustausch über die Schnitzeljagd der Erstsemester und über Artikel in der

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